»S’iz undzer zekste sholem aleykhem lektsye«: Mit diesen Worten kündigte die Jiddisch-Lektorin Evita Wiecki den Referenten des 6. Scholem-Alejchem-Vortrags an. »Michael Wex iz geboyrn gevorn in Kanade, in a shtot mit arum 90 yidishe mishpokhes.«
Den Jiddischexperten und Bestsellerautor hatten der Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur und das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München eingeladen. Möglich machte dies eine Spende von Irving Weissmann im Gedenken an seine Eltern Henry und Bluma Weissmann sel. A.
Ausdrücke Die beiden hätten »a nu’e«, eine Genugtuung und Freude, daran gehabt angesichts des »sheynem oylem«, des trotz sommerlicher Hitze bestens besuchten Vortragssaals, sagte Wiecki in ihrer Einführung. Ganz abgesehen davon, dass Wex mit seinem Thema »Hak mir nit keyn tshaynik: Yidishe oysdrukn un idiomen un vi azoy zey hobn zikh antvikelt« keineswegs jemandem auf die Nerven ging, erläuterte er kenntnisreich und unterhaltsam, woher viele jiddische Ausdrücke und Redewendungen wie »bobe-mayses«, »nischt geschtojgn un nischt geflojgn« und der klappernde »tshaynik«, Wasserkessel, stammen.
Wer hätte gedacht, dass das Ammenmärchen, die bobe-mayse, nichts mit Geschichten aus Großmutters Tagen zu tun hat, sondern auf Bevys von Hampton zurückgeht, einen anglo-normannischen Romanhelden, dessen Abenteuer so aberwitzig waren, dass daraus auf dem Umweg über das Italienische eine »bove-mayse« und schließlich eine »bobe-mayse« wurde. Ist eine Geschichte an den Haaren herbeigezogen, so ist sie auch »nischt geschtojgn un nischt geflojgn«.
Nicht aufgestiegen und nicht geflogen zu sein, thematisiert eine Grundprämisse des Christentums, die von Juden nicht geteilt wird. Jemand, der den Ausdruck nicht versteht, kann sich bei dieser Formulierung nicht gekränkt fühlen. Michael Wex betrachtet das Jiddische deshalb auch als »Geheimsprache der Nicht-Erlösten«.
Minderheit Jiddisch nimmt auf, transformiert, »stiehlt sich in jeden Winkel des Lebens hinein«, so Wex. Er bezieht sich auf die Psalmen, das tägliche Gebet, die Wertvorstellungen der eigenen Minderheit und die der christlichen Mehrheitsgesellschaft, auch auf Alltägliches wie den Teekessel, dessen Deckel klappert, wenn man ihn nicht rechtzeitig vom Herd nimmt.
Der Historiker Michael Brenner freute sich ganz besonders über Michael Wex’ Besuch im Gedenkjahr zum 100. Todestag von Scholem Alejchem. Wex, dessen Eltern aus Warschau stammten, wuchs in Lethbridge/Alberta auf, dem sogenannten »Bible Belt«, wo tief religiöse Christen zu Hause sind. Mehr als einmal lag in seiner Kindheit morgens neben der Milch ein Neues Testament vor der Haustür.
Heute arbeitet er von Toronto aus an seinem eigenen Gedächtnispalast des Jiddischen. Dazu gehören Theaterstücke wie Bobe-Mayses, das gerade beim »Yiddish Summer« in Weimar aufgeführt wird, und Übersetzungen. Vor allem aber seine Bücher Shlepping The Exile, Born To Kvetch, Just say Nu. Yiddish for Every Occasion, How to Be a Mentsh (and not a Shmuck) und jüngst Rhapsody in Schmaltz: Yiddish Food and Why We Can’t Stop Eating It.