Wilhelm Krützfeld (1880–1953) ist bekannt, auch den Namen Bernhard Weiß (1880–1951) haben schon viele gehört, doch von Martha Mosse (1884–1977) dürften viele noch nie etwas erfahren haben. Das könnte sich dank einer Wanderausstellung, an der die Berliner Polizei nun arbeitet, ändern.
Alle drei Genannten haben vor, während und teils noch nach der Nazizeit bei der Berliner Polizei gearbeitet und agierten mutig. Das Besondere: Einige Studenten der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) erarbeiten nun in Teilen den Inhalt der Ausstellung im Rahmen eines Ethikkurses.
biografie Eine von ihnen ist die 23-jährige Georgia, Polizeikommissaranwärterin. Die Kursteilnehmer sind in vier Gruppen aufgeteilt. Georgias Gruppe recherchiert die Biografie von Martha Mosse, die als Jüdin vom Polizeidienst ausgeschlossen, nach Theresienstadt deportiert und nach der Schoa wieder als Polizistin angestellt wurde. Im Polizeihistorischen Museum haben die Studenten ihre Akte gefunden und eingescannt, sodass sie von zu Hause weiterarbeiten konnten. Mehr als 100 Seiten sei die Akte dick, erzählt Georgia. Darunter seien Polizeiberichte, aber auch persönliche Erinnerungen.
Mittlerweile hat ihre dreiköpfige Gruppe die Texte für die Infotafeln fertig geschrieben. »Aber ich finde das Thema und die Arbeit so spannend, dass ich darüber hinaus weiter mitwirken möchte«, sagt sie. Sie haben Ideen gesammelt, alles, was sie wichtig finden.
Wie war die Beziehung von Polizei und jüdischem Leben damals und heute? Welche Haltung hatten und haben einzelne Polizisten? Das sind einige Fragen, denen nachgegangen werden soll. Unterstützung bekommen sie dabei vom Leiter der Polizeihistorischen Sammlung, Jens Dobler, und von Peter Klein, Professor für Holocaust-Studien am Touro College.
FESTAKT Im September soll die Wanderausstellung mit einem großen Festakt in der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum eröffnet werden. »Ich finde es sehr wichtig und spannend zugleich – und ich lerne jeden Tag etwas Neues dazu«, sagt Eva Petersen, Projektleiterin in der Zentralstelle für Prävention beim LKA Berlin. Derzeit arbeitet sie an der Ausschreibung für die Gestaltung der Dokumentation.
Es sind Begegnungen zwischen Polizeischülern und jungen Juden in Form einer Stadtrallye entlang historischer Städte und Plätze geplant.
Anlass, so ein Projekt auf die Beine zu stellen, ist das Themenjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Im Juni hatte sich die Polizei Berlin auf Initiative des katholischen Polizeiseelsorgers Frank-Peter Bitter in Zusammenarbeit mit dem Antisemitismusbeauftragten der Polizei, Wolfram Pemp, beim Verein »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.« beworben und eine Zusage bekommen – worüber sich alle sehr gefreut haben.
Nun wird an dem Projekt »Jüdisches Leben und Polizei – Vergangenheit trifft Gegenwart« intensiv gearbeitet. Geplant sind neben der Ausstellung die Herstellung einer Gedenktafel oder -stele mit Einweihung und Festakt im Dezember sowie jährliche Begegnungsveranstaltungen zwischen Polizeischülern und jungen Juden in Form einer Stadtrallye entlang historischer Städte und Plätze. Es sei übrigens das erste große Projekt dieser Art, sagt Petersen. Die Gedenktafel zu Ehren Wilhelm Krützfelds und seiner Kollegen des Reviers 16, die man nicht vergessen dürfe, werde ihren Platz auf dem Gelände der Polizeiakademie bekommen.
POGROMNACHT In die Berliner Geschichte ist der Polizist und Sozialdemokrat eingegangen, weil er sich immer wieder im Rahmen seiner Möglichkeiten als Polizist gegen das Unrecht einsetzte und in der Pogromnacht entgegen den Befehlen die Feuerwehr rief, um die brennende Neue Synagoge zu retten. So soll er sich mit einigen Kollegen einer Gruppe von SA-Leuten, die schon das Feuer entfacht hatten, entgegengestellt und sie mit Worten und Waffengewalt zum Rückzug gezwungen haben.
Er ordnete sofortige Löscharbeiten an. »Das hat er klug angestellt: Denn er hat sich auf den Denkmalschutz und auf den Schutz der umliegenden Häuser berufen.« Dafür sei er schließlich abgemahnt worden. Ebenso warnte er Juden vor ihrer Verhaftung. Eine Gedenktafel an der Fassade der Neuen Synagoge erinnert bereits an ihn.
Bernhard Weiß war Jude und stand als Deutscher für die Weimarer Verfassung ein. Einen Namen hat er sich gemacht, weil er als Polizeivizepräsident gegen Ungerechtigkeiten vorgegangen ist, zum Beispiel in mehr als 60 erfolgreich verlaufenen Prozessen gegen Joseph Goebbels. Als die Nazis an die Macht kamen, ging er in den Untergrund und konnte später mit seiner Frau erst nach Prag, dann nach London fliehen.
theresienstadt Martha Mosse war »eine ganz tolle, sehr starke Frau«, so Petersen. Sie war die erste Polizeirätin im höheren Dienst Preußens. Da sie Jüdin war, durfte sie nicht mehr bei der Polizei wirken und wurde nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte, kam zurück und wurde wieder Polizistin. Sie wurde auch Zeugin in den Nürnberger Prozessen.
Martha Mosse überlebte, kam zurück und wurde wieder Polizistin.
»Ihr Leben zeigt uns, dass Polizist nicht nur ein Beruf ist, sondern auch eine Berufung«, sagt Eva Petersen, seit Februar auch Ansprechperson der Polizei Berlin für Antisemitismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Mit der Polizeihistorischen Sammlung am Platz der Luftbrücke verfügt die Institution über ein eigenes Archiv – das übrigens in Nicht-Pandemie-Zeiten für alle zugänglich ist.
Außerdem sind für die Ausstellung Porträts von Polizisten aus der Gegenwart geplant, der Antisemitismusbeauftragte der Polizei Berlin soll vorgestellt werden, ebenfalls Personen- und Objektschützer und die Aus- und Fortbildung im Bereich Antisemitismus. »Wir wollen auch klarmachen, dass es leider noch notwendig ist, dass diese Aufgabe, der Schutz des jüdischen Lebens, von der Polizei überhaupt wahrgenommen wird, weil Antisemitismus in der Gesellschaft noch präsent ist. Damit thematisieren wir auch die dunkle Seite der heutigen Zeit.«
vielfalt »Wir sehen uns einem wiederaufkeimenden Antisemitismus in der Gesellschaft gegenüber«, sagt Polizeipräsidentin Barbara Slowik. »Es braucht deutliche und stete Zeichen von uns allen, von jeder und jedem, ein Bekenntnis zur Vielfalt und die Verurteilung von Antisemitismus. Auch wir als Polizei sind gefragt und leisten unseren Beitrag.«
Unterstützt werden sie beim Verbundprojekt dabei vom Erzbistum Berlin, der Landeskommission Berlin gegen Gewalt, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum sowie dem Touro College.
Die Ausstellung soll anschließend durch Polizeidienststellen wandern. Aber sie kann auch für weitere nichtkommerzielle Zwecke angefragt werden, etwa von jüdischen Gemeinden oder Volkshochschulen.