Zu viel Fleisch, kaum Fisch und selten Obst, Rohkost oder Salat: Eine jüngst veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung stellt deutschen Kindergärten in puncto Essensverpflegung ein schlechtes Zeugnis aus. Lediglich in zwölf Prozent der Einrichtungen gibt es demnach regelmäßig frische Früchte, nur in 19 Prozent ist das Angebot an Salat und rohem Gemüse ausreichend. Die Folgen sind drastisch: Schon neun Prozent der Drei- bis Sechsjährigen sind übergewichtig, knapp drei Prozent sogar fettleibig. Wie aber sieht das Essensangebot in jüdischen Kindergärten aus?
Frankfurt Viel besser, wenn man die Verantwortlichen fragt: In Frankfurt/Main werden beide jüdische Kindergärten mittags vom koscheren Restaurant Sohar beliefert, so Claudia Behringer von der Einrichtung Röderbergweg: »Es ist sehr abwechslungsreich, es gibt vegetarische und fleischige Tage.« In der Frankfurter Kita Westend wird wie im Röderbergweg ein milchiges Frühstück von zu Hause mitgebracht. »Kinder essen gern und gut in der Gemeinschaft«, weiß Leiterin Elvira Güver. Das Angebot des Restaurants sei beliebt, »es ist abwechslungsreich, es gibt Fleisch, Fisch, Vegetarisches und außerdem viel Obst.«
Chemnitz In Chemnitz befindet sich gleich im Kindergarten eine eigene Küche, in der Fleischiges und Milchiges zubereitet werden kann, sagt Leiterin Annett Helbig: »Bei uns gibt es sehr viel frisches Obst und Gemüse.« Dabei werde auch darauf geachtet, dass nicht nur die gängigen Sorten auf dem Speiseplan stehen: »Im Bildungs- und Erziehungsplan Sachsen steht, dass Mahlzeiten auch Lern- und Bildungsangebot sein sollen, entsprechend bieten wir Obst und Gemüse an, das die Kinder von zu Hause vielleicht nicht kennen.« Früchte wie Mangos oder Granatäpfel werden den Kindern deswegen nicht nur einfach vorgesetzt, »wir betrachten die Früchte, probieren sie und finden auch Unterschiede, zum Beispiel, wie ein Gemüse roh oder gekocht schmeckt«.
Duisburg Auch in Duisburg hat der Kindergarten eine eigene Köchin. Das dort angebotene Mittagsessen ist milchig mit Fisch. »Es werden immer wieder neue Rezepte ausprobiert«, berichtet Leiterin Heike Kaminski. Für die 40 Kinder in den drei Gruppen des Kindergartens steht außerdem viel Obst auf dem Speiseplan, »sie können sich selbst bedienen«. Im Vergleich mit anderen, öffentlichen Einrichtungen komme man sehr gut weg: »Bei uns gibt es eben immer frisch zubereitete Speisen, es wird nichts aufgewärmt, das ist qualitativ schon ein sehr großer Unterschied.«
Düsseldorf »Das Essen bei uns ist sehr ausgewogen«, betont auch Nadine Schleicher, Leiterin des jüdischen Kindergartens in Düsseldorf. »Einmal die Woche gibt es Fisch, zweimal Fleischiges, zweimal Milchiges.« Beliefert wird die Einrichtung von der Küche, die täglich für Kindergarten und Grundschule frisches Essen zubereitet. »Wir sind täglich in Kontakt mit dem Koch und geben Feedback, wie die Mahlzeiten bei den Kindern angekommen sind.«
Kleinere Kinder mögen nämlich nicht automatisch auch das, was die älteren Schulkinder lecker finden: »Im Kindergarten essen sie beispielsweise nicht so gern Aufläufe, sondern wollen die einzelnen Bestandteile einer Mahlzeit lieber getrennt auf dem Teller vor sich sehen. Viele essen auch systematisch: erst die Nudeln, dann das Fleisch, dann den Salat.« Die Zubereitung sei sicher auch ausschlaggebend dafür, dass es den Kindern so gut schmecke: »Alles frisch, keine Pulverprodukte – das macht sich schon bemerkbar.«
kritische stimmen Aber es gibt auch kritische Stimmen, nicht alle Eltern sind rumdum mit dem Essensangebot der jeweiligen Kitas zufrieden. Eine Frankfurter Mutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, fasst ihre Kritik mit den Worten »zu fettig, zu einseitig, zu schlecht, zu oft klebrige, dicke Saucen« zusammen. Ein Fall sei besonders empörend: »Die Eltern eines Kindes, das kein Gluten verträgt, müssen extra glutenfreie Nudeln kaufen und der Küche zukommen lassen – dabei bezahlen sie doch Essensgeld wie alle anderen auch.« Beschwerden hätten zu nichts geführt, sagt die Mutter, »man läuft einfach gegen eine Wand«.
Die Tochter von Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, geht in den Kindergarten der Jüdischen Gemeinde Duisburg. Für sie und ihren ebenfalls muslimischen Mann sei es wichtig, dass »unser Kind auch andere Lebenskonzepte kennenlernt«, sagt sie. »Wir gehen möglichst offen auf andere Religionen zu.«
Würstchen Mit der Verpflegung sei sie »relativ zufrieden. Im Kindergarten wird allerdings nicht fleischig gekocht, manchmal habe ich das Gefühl, dass nur Milchiges auf Dauer zu wenig ist«. Aber sie verstehe, dass der Aufwand zu groß wäre, »und dass nicht gecatert wird, finde ich ja gerade gut, da ist der Preis dann eben nur milchiges Essen«. Zum Abendbrot fragt sie die Tochter deshalb manchmal, »ob sie zum Beispiel Würstchen essen möchte oder nur Brot«.
Aus Gesprächen mit Müttern, deren Kinder in andere Einrichtungen gehen, weiß Kaddor, dass die Verpflegungssituation in den einzelnen Duisburger Kindergärten durchaus unterschiedlich und nicht immer optimal ist. »Wo Caterer die Mahlzeiten anliefern, gibt es eben kein frisches Essen. In manchen Kindergärten wird das Mittagessen vorgekocht von zu Hause mitgebracht und dann aufgewärmt – das wäre nun gar nicht mein Fall, dafür hätte ich gar keine Zeit«, lacht sie.