Vorsichtige Öffnung

Bleib zu Hause

Neue Regeln erlauben den Synagogen, ihre Gottesdienste wieder aufzunehmen. Doch es gibt Einschränkungen

von Ralf Balke  30.04.2020 09:17 Uhr

Mit 2000 Plätzen genug Freiraum: die Synagoge Rykestraße in Berlin Foto: Uwe Steinert

Neue Regeln erlauben den Synagogen, ihre Gottesdienste wieder aufzunehmen. Doch es gibt Einschränkungen

von Ralf Balke  30.04.2020 09:17 Uhr

Bis auf Weiteres geschlossen – das gilt bereits seit Wochen für Synagogen, Kirchen und Moscheen gleichermaßen. Aufgrund der Corona-Krise können Gottesdienste derzeit nur per Zoom, WhatsApp oder anderen digitalen Plattformen stattfinden – so auch in Berlin. Doch am 4. Mai werden in der Hauptstadt neue Regeln in Kraft treten, die endlich mehr Spielraum ermöglichen. Bis zu 50 Personen dürften dann wieder an einem Gottesdienst vor Ort teilnehmen, sofern bestimmte Hygienevorgaben eingehalten werden.

Rykestraße Genau das stellt die Synagogen vor ungewohnte Herausforderungen. »Wir diskutieren gerade, wie wir eine vorsichtige Öffnung am besten organisieren können«, berichtet Boris Ronis, Gemeinderabbiner der Synagoge Rykestraße.

»Zumindest haben wir einen entscheidenden Vorteil – den riesigen Platz, der uns dabei zur Verfügung steht.« Schließlich ist seine Synagoge mit rund 2000 Sitzplätzen eine der größten überhaupt in Europa, sodass ein Sicherheitsabstand von zwei Metern zwischen den bis zu 50 erlaubten Betern kein Problem sein dürfte.

»Des Weiteren wird wohl eine Mundschutzpflicht gelten«, betont Rabbiner Ronis. »Und es sollen überall Desinfektionsmittel bereitstehen.« Trotzdem wird einiges ungewohnt sein: Aufrufe zur Tora in der üblichen Form kann es vorläufig nicht geben, und auch auf Kidduschim muss wohl verzichtet werden. »Es soll möglichst wenig Bewegung in der Synagoge stattfinden. Die vorderen Sitzreihen bleiben ebenfalls leer, um Abstand zum Chasan zu bewahren.«

NEULAND Wie lange die Gottesdienste in dieser ungewöhnlichen Form stattfinden werden, kann im Moment niemand mit Gewissheit sagen. Auch sind die aktuellen Vorsichtsmaßnahmen nicht in Stein gemeißelt, sondern können jederzeit geändert werden. »Das alles ist Neuland für uns und deshalb eine Art ›Work in Progress‹«, sagt Rabbiner Ronis. Es gelte, Erfahrungen zu sammeln und entsprechend flexibel zu reagieren.

Auch im Jeanette-Wolff-Seniorenzentrum sei ein Kabbalat Schabbat vorerst noch nicht möglich. »Das bedauere ich außerordentlich. Aber das Ansteckungsrisiko für die Senioren wäre einfach viel zu groß«, sagt Ronis.

Sicherheitsabstand, Mundschutz und Desinfektionsmittel sollen auch in der Synagoge Einzug halten.

Sicherheitsabstand, Mundschutz und Desinfektionsmittel sollen auch in der Synagoge Joachimstaler Straße Einzug halten. »Aber wie am Ende alles aussehen wird, darüber ist im Moment noch nichts endgültig entschieden«, erklärt Rabbiner Yitshak Ehrenberg.

»Probleme mit dem Platz haben wir glücklicherweise keine. Wenn 50 Personen in der Synagoge sind, herrscht gewiss kein Gedränge, und wir werden sehr darauf achten, dass sich alle an die Distanzregeln halten.«

Auch in der Joachimstaler Straße wird es bis auf Weiteres keine Kidduschim geben. »Und keine gemeinsamen Essen«, ergänzt Rabbiner Ehrenberg. »Ich selbst werde auf jeden Fall einen Mundschutz tragen.«

Wie »sehr wahrscheinlich auch alle Beterinnen und Beter im Alter von über 60 Jahren«, sagt der orthodoxe Rabbiner. Ob jüngere Personen davon ausgenommen werden sollen, ist noch offen. »Vorrang bei allen Entscheidungen hat der Schutz des Lebens«, betont Rabbiner Ehrenberg. »Das gibt uns schon die Tora vor.«

SITZORDNUNG In der Synagoge Fraenkelufer will man gleichfalls erst einmal testen, was möglich ist und was nicht. »Wir schauen jetzt, welche Sitzordnung funktioniert und wie viele Leute bei Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln bequem Platz finden«, beschreibt Gabbai Jonathan Marcus das Prozedere. »Dann hoffen wir, ab dem 8. Mai zumindest die Gebete wiederaufnehmen zu können.«

Kidduschim und andere größere Veranstaltungen wird es auch hier auf unbestimmte Zeit nicht geben. »Und das Kinderprogramm sowie Lernangebote werden wohl weiterhin erst einmal online stattfinden«, ergänzt Nina Peretz vom Freundeskreis der Synagoge Fraenkelufer. »Generell warten wir aber noch auf Vorschläge der Jüdischen Gemeinde, denn die Regelungen sollten ja in den verschiedenen Synagogen einheitlich sein«, sagt Peretz.

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025

München

»Das ganz Andere fremder Welten«

Die Volkshochschule und das IKG-Kulturzentrum gedachten des 130. Geburtstags der Dichterin Gertrud Kolmar

von Helen Richter  05.01.2025

Feier

Dem Herzen folgen

Die IKG München und Oberbayern bedankt sich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement

von Luis Gruhler  05.01.2025

Würzburg

Kreuzfahrer am Main

Die Abiturientin Nele Fackler wird für einen Aufsatz zur Lokalgeschichte des Antisemitismus ausgezeichnet

von Gerhard Haase-Hindenberg  05.01.2025

Buch

Jüdisch im Sauerland

Hans-Ulrich Dillmann aktualisiert seine Studie über die Gemeinde in Lüdenscheid

von Martin Krauß  05.01.2025

Apolda

Schweinekopf vor jüdischem Gedenkort abgelegt

Unbekannte Täter haben einen Schweinekopf vor einem jüdischen Gedenkort im thüringischen Apolda abgelegt – nicht zum ersten Mal

 05.01.2025