Würzburg

Bildung gegen Hass

Moderiert von Ilanit Spinner diskutierten v.l.: Ludwig Spaenle, Josef Schuster, Marcus Funck und Felix Klein. Foto: Gisela Burger

Genau 1799 antisemitische Straftaten hat das Bundeskriminalamt für 2018 registriert, fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Somit werden pro Tag mindestens viermal Juden irgendwo in Deutschland zumindest verbal in einer Form angegriffen, die strafrechtlich verfolgt werden kann.

Podium Inwiefern muss und kann speziell die Bildungspolitik angesichts dieses greifbaren Anwachsens judenfeindlicher Aggression und Gewalt reagieren? Um diese Frage ging es am Dienstag bei der Podiumsdiskussion »Antisemitismus – Antisemitismuskritische Bildung – Herausforderungen für Universität und Gesellschaft« in der Alten Universität Würzburg.

Eingeladen hatte das Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik. Zu Gast waren Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus sowie Marcus Funck vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin.

Moderiert von der Journalistin Ilanit Spinner, sprechen sie im vollbesetzten Hörsaal über Maßnahmen und Konzepte einer antisemitismuskritischen Bildung und Erziehung, welche die aktuellen Entwicklungen wirksam bekämpft.

Ideologien Felix Klein verweist auf den messbaren Anstieg judenfeindlich motivierter Straftaten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. »Antisemitismus hat schon immer existiert, aber jetzt ist er wieder zu einem ernsten Problem geworden«, sagt der Bundesbeauftragte. Jede Form des Judenhasses sei gleichermaßen zu bekämpfen, egal ob er sich aus dem rechtsradikalen oder islamistischen Umfeld oder aus dem linksideologischen Spektrum entwickle.

Die Kritik an der Erinnerungskultur ist eine neue Form von Judenhass, sagt Marcus Funck.

Als besonders problematisch betrachtet Felix Klein den Antisemitismus, der sich in der aktuellen Israelkritik niederschlägt. Denn diesem werde bislang am wenigsten widersprochen. Die Ziele der BDS-Bewegung hält er für antisemitisch, »denn sie richten sich zum Teil gegen die Existenz Israels«.

Aus diesem Grund hatte der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, BDS-Veranstaltungen nicht zu unterstützen. Das inzwischen geschaffene Meldewesen für antisemitische Straftaten ermögliche eine greifbare Basis für Analysen und das Entwickeln von Präventionsmaßnahmen.

Der Antisemitismusforscher Marcus Funck macht überdies auf die neuen Ausdrucksformen des Antisemitismus, etwa die Kritik an der Erinnerungskultur und am Staat Israel, aufmerksam. »Der Antisemitismus ist sichtbarer und unverschämter geworden, andererseits gibt es aber auch eine erhöhte Sensibilität für das Problem«, meint der Wissenschaftler.

Hemmschwelle Jeder fünfte Deutsche habe antijüdische Ressentiments, sagt Zentralratspräsident Josef Schuster. Daran ändere sich seit Jahrzehnten nichts. »Die Veränderung besteht darin, dass es weniger Hemmungen gibt, antisemitische Ansichten zu äußern«, beschreibt Schuster die Entwicklung. Diese könne jeder Einzelne mit entsprechenden Argumenten bekämpfen, an Stammtischen und bei anderen Gesprächen.

Jüdische Kultur wird heute immer noch hinsichtlich des Holocausts bewertet.

Ludwig Spaenle sieht es problematisch, dass die lange Geschichte und Kultur der Juden in Deutschland oft nur im Zusammenhang mit der Schoa ein Thema sei. Eine stärkere Vermittlung lebendigen Judentums vom Mittelalter bis heute könne zu einem differenzierten Bild von Juden in Deutschland beitragen.

Pädagogik Felix Klein regt ebenfalls an, das Thema Judentum in der Pädagogik weniger auf den Holocaust zu beschränken. »Bei der Vermittlung eines lebendigen Judentums kann man schon in der frühkindlichen Bildung ansetzen.«

Josef Schuster hält es für wichtig, dass Lehrkräfte beispielsweise Besuche in Gedenkstätten nicht nur organisieren, sondern auch mit Empathie vor- und nachbereiten. »Es reicht nicht, einfach mit Schülern nach Dachau zu fahren, um bei ihnen ein Bewusstsein zu wecken.«

Auch müssten sich Schulen damit beschäftigen, wie Lehrer in konkreten Situationen am besten praktisch handeln. Dies könnten etwa antisemitische Äußerungen von Kindern und Jugendlichen oder gar verbale Attacken auf jüdische Mitschüler sein. Schuster erinnert auch an die Möglichkeit, junge Juden in die Schulen einzuladen, die dann Gleichaltrigen aus ihrer Lebenswelt erzählen.

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