Mit Begeisterung erzählt Sofia Sokolov von ihren Besuchen am Standort in München, dass man gleich nach dem Betreten des Hauses eine besondere Atmosphäre spüre. Die Menschen würden sich im Janusz-Korczak-Haus auf Augenhöhe begegnen, jüdische wie nichtjüdische Besucher aller Altersgruppen seien willkommen. Nun steht Sokolov vor der Aufgabe, die Arbeit der Duisburger Dependance ebenso erfolgreich zu gestalten.
Am Freitag wurde in der Ruhrgebietsstadt das Janusz-Korczak-Haus eröffnet. Damit betreibt die 2009 in München gegründete Europäische Janusz Korczak Akademie neben Berlin jetzt auch eine Bildungseinrichtung an einem zentralen Standort in Nordrhein-Westfalen.
Die Lage mit guter Anbindung nach Düsseldorf und Köln sowie nach Westfalen hinein war ein gewichtiges Argument für die Entscheidung, ein Haus in Duisburg zu eröffnen. Außerdem gebe es eine sehr enge Verbindung zur Gemeinde, betont Sokolov, die die Eröffnung sowie das Programm bis zum Sommer hier plante.
NRW-weit Sitz der Akademie wird allerdings nicht das Gemeindezentrum am Innenhafen sein, sondern ein von der Gemeinde im nördlichen Stadtteil Neumühl betriebenes Büro. Doch das sei unerheblich. »Ich versuche, Veranstaltungen überall in NRW anzubieten, denn wir wollen junge Erwachsene aus der ganzen Region ansprechen«, erklärt Sokolov. »Anfang Juli gehen wir nach Köln, wo wir eine Führung durch die Archäologische Zone machen werden, dort ist der Bau eines Jüdischen Museums geplant.«
Einige andere Veranstaltungen, wie ein Wochenendseminar oder eine interreligiöse Begegnung, sind schon in Duisburg angekündigt. Deshalb darf sich Geschäftsführer Alexander Drehmann die berechtigte Hoffnung machen, dass die Niederlassung der Akademie auch für die Gemeinde eine Bereicherung sein wird. »Wir wünschen uns vor allem Synergieeffekte«, erläutert Drehmann. »Es geht darum, eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen, 20- bis 35- oder 40-Jährige. Für diese Menschen sollte es regelmäßig Bildungsangebote geben.«
Die Gemeinde unterstützt die Arbeit von Sofia Sokolov, indem sie ihr Räumlichkeiten überlässt und ihre Infrastruktur anbietet. Sie möchte sich aber auch am Programm beteiligen. Besonders im Bereich des interkulturellen Dialogs erwartet Drehmann eine Entlastung durch die Arbeit des Janusz-Korczak-Hauses.
Dass Duisburg in diesem Bereich ein »hartes Pflaster« sein dürfte, darüber ist man sich im Klaren. Man sei sich absolut bewusst, dass es islamistische Strukturen in der Region »in mehr oder weniger geballter Form« gebe, sagt Präsidentin Eva Haller. Sokolov weist auch auf die regelmäßigen Pegida-Demonstrationen hin, die sich in Duisburg wie in kaum einer anderen westdeutschen Stadt etabliert haben.
Dialog »Wir möchten aber keine Chance verpassen, um in einen Dialog zu treten mit jedem, mit dem man vernünftig und mit gegenseitigem Respekt sprechen kann«, betont Haller. »Das ist das Prinzip der Pädagogik von Janusz Korczak«, erinnert sie an den polnischen Arzt und Autor, der sich besonders für Kinder einsetzte.
»Jeder kann seine Meinung haben, aber wir wollen alle zusammenleben, uns kennenlernen und austauschen. Es geht um die Zukunft dieses Landes, dieser Stadt.« Dafür werde man die eigene Position aber niemals aufgeben: »Wir sind eine jüdische Organisation, haben unsere Identität und unseren Glauben. Als ›jewish peoplehood‹ leben wir in der ganzen Welt und respektieren die demokratischen Grundregeln der Gesellschaft.«
Doch nicht nur jüdische Themen sollen in der Bildungsarbeit des Janusz-Korczak-Hauses behandelt werden. »Uns geht es vielmehr um die jüdische Perspektive in vielen Diskussionen«, erklärt Sokolov. »Die Gemeinden konzentrieren sich eher auf die Sozialarbeit und die Theologie. Wir können auch über Religion sprechen, aber aus Sicht der Wissenschaft und Bildung.« Sie habe Unterstützung von der muslimischen, katholischen, evangelischen Seite erfahren, sagt Sokolov. »Die Bereitschaft zur Kooperation ist da.«