Leises Klarinettenspiel dringt aus dem Hintergrund. Auf der Bühne müht sich eine Frau mit einem festgefahrenen Bauwagen ab. Die Schauspieler sind zunächst mit sich selbst beschäftigt, bis einer fragt: »Worauf wartet ihr? Eine Geschichte?« Der positive Bescheid der kleinen Gäste lässt nicht lange auf sich warten. »Unsere Geschichten« sollen dann erzählt werden. »Sie sind stets mit uns. Denn wir sind Juden.« Aber welche Geschichte aus dem reichhaltigen Angebot soll es denn sein? Es wird die Purimgeschichte. Unter den fünf Schauspielern bricht eine Feier aus. Es wird gesungen, getanzt, getobt, doch leider wissen sie gerade gar nicht, worum es bei Purim geht.
Traumhaft Sie müssen ihr Wissen ordnen, und so beginnt Erzählerin Tirzah Haase in ihrem Stück Stella das Zebra die Geschichte: Von der Wüste, in der die kleine jüdische Gruppe in einer unbestimmten Zeit gelandet ist, geht es zurück zur Erzählung aus dem Alten Testament. Doch viel weiter als bis zum großzügigen, aber nicht besonders klugen König Achaschwerosch kommt die Erzählerin nicht. Die fünf sind zu müde, entschlummern und stranden im Land der Träume. Hier lebt Stella, das Zebra, der hellste Stern im Volk der »Zebräher«. Sie ist ein glückliches Wesen, bis ein böser Wolf auftaucht.
»Es ist ein nicht ganz einfacher Stoff«, räumt Dramaturg Daniel Schindler ein. »Wir können nicht einfach die alttestamentarische Geschichte erzählen.« Und so wird sie in drei Ebenen aufgespaltet: die der Schauspielgruppe auf der Bühne, dem Erzählen der Purimgeschichte und schließlich in das Treiben um das Zebra Stella. So lassen sich auch Kinder ab sechs Jahren in das Thema Judentum einführen.
Universell »Wir wollten eine Kinderoper für Juden und Nichtjuden machen. Denn die Geschichte hat einen universellen, menschlichen Kern«, erklärt Schindler. Das Zebra, der Wolf und später der Löwe stellen als Schattenfiguren hinter dem Vorhang diesen Kern dar, der die Purimgeschichte für Kinder nachvollziehbar in ihren Alltag holt. Dennoch waren einige Lehrer skeptisch, ob der Stoff tatsächlich für Sechsjährige geeignet ist. Aber: »Wenn sie drin waren, dann ...«, setzt Daniel Schindler an und lächelt dann zufrieden.
Tatsächlich ist es ihm und dem Ensemble gelungen, dem jungen Publikum einen Einstieg in das Judentum zu ermöglichen, der in Schulen seit Jahrzehnten vergessen wird. »Ich selbst bin Christ, komme vom Land. In meiner Jugend wusste ich nichts vom Judentum und bin ihm nicht begegnet, bis ich die Schwarz-Weiß-Fotos der Schoa gesehen habe«, sagt Schindler.
Aktionsreich Stella das Zebra ist ein buntes Stück. Die Schauspieler pesen durch den Raum, Klarinette, Klavier und Geige werden oft mit Überschwang gespielt, die Stimmung ist meist ausgelassen. Und am Ende der Vorstellung gehen nicht wenige Kinder Hava Nagila summend nach Hause. Sie haben etwas Glück mitgenommen, bevor sie in ein paar Monaten oder in ein paar Jahren das Leid kennenlernen. »Es ist aber kein Kasperletheater«, betont Tirzah Haase, »sondern auch etwas zum Nachdenken.« Da Kinder in begrenzten Szenarien denken, könnten sie sich die Stücke aus der Geschichte mitnehmen, die sie jetzt verstehen. Und später tauchten im Alltag vielleicht andere wieder auf. Der Erfolg gibt Daniel Schindler, dem Ensemble und der Dortmunder Kinderoper recht, die Vorstellungen sind bestens besucht.
»Ist Esther jetzt glücklich?«, erkundigte sich das kleine Mädchen am Ende der Vorstellung bei seiner Mutter.
Weitere Vorstellungen: Kinderoper Dortmund, Hövelstraße/Ecke Hiltropwall 18., 21. und 22. November, jeweils 11 Uhr