Mit Tränen in den Augen stehen Marina und Anja am Mahnmal der Gedenkstätte »Gleis 17« in Berlin-Grunewald. Nachdenklich blicken die Schülerinnen aus Köln auf die Gleise des früheren Güterbahnhofs. »Dass das wirklich alles passiert ist«, sagt Anja mehr zu sich selbst als zu ihrer Freundin, bei der sie sich untergehakt hat, und schüttelt den Kopf. »Dass das wirklich alles passiert ist.«
Auf das Gelände des heutigen S-Bahnhofs wurden ab Oktober 1941 Zehntausende Juden verschleppt und in das Ghetto Litzmannstadt deportiert. Es folgten weitere Transporte in die Konzentrationslager nach Theresienstadt, Riga, Lodz und später direkt nach Auschwitz. Von insgesamt 160.000 Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wurden 55.000 von den Nationalsozialisten ermordet.
VerPflichtung Marina und Anja sind zwei von rund 400 jungen Erwachsenen, die aus ganz Deutschland zum viertägigen Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) nach Berlin kamen. Seit Donnerstag sind sie in der Stadt. Am Freitagvormittag stand das Gedenken am Gleis 17 auf dem Programm.
»Wir alle stehen fassungslos an diesem Ort«, sagte Abraham Lehrer, ZWST-Vorstandsvorsitzender. »Jeder von uns hat die Pflicht, sich an unsere ermordeten Brüder und Schwestern zu erinnern.« Nur wer seine eigene Geschichte kenne, könne auch von anderen ein Bewusstsein für die Geschichte einfordern, betonte Lehrer.
Der Gesandte der Israelischen Botschaft in Berlin, Emmanuel Nahshon, sagte, dass die jüdische Gemeinschaft nie wieder ihr Schicksal in die Hände anderer legen dürfe. »Das hat uns die Schoa auf schrecklichste Art und Weise vor Augen geführt.« Der wichtigste Weg, um dies zu gewährleisten, sei eine starke Armee, erklärte Nahshon. »Wir Juden müssen und werden uns selbst schützen.« Im Beisein der Zeitzeugin Ruth Recknagel sprach dann Rabbiner Yitshak Ehrenberg das Kaddisch und Rabbiner Yehuda Teichtal das El Male Rachamim.