Er sitzt in einer der hinteren Reihen der Synagoge Münstersche Straße, ist ins Gebet vertieft. Mit seiner Kippa auf dem Kopf und dem Tallit auf den beeindruckenden Schultern unterscheidet er sich nur wenig von den anderen Betern. Einige blicken kurz zu ihm, denn er ist keiner derjenigen, die hier jeden Tag zu sehen sind. Er ist zu Besuch. Dann spricht ihn Rabbiner Yehuda Teichtal an und stellt ihn der Gemeinde vor: Dmitriy Salita, sein jüdischer Name ist David. Er ist ehemaliger Profiboxer, auch bekannt als »Star of David«.
Der Mann mit den kurzen dunkelblonden Haaren und freundlichen Augen lächelt fast etwas verschüchtert. Er wirkt immer noch sehr fit, auch wenn er sein früheres Kampfgewicht, Leichtwelter und Welter, hinter sich gelassen hat. Weltweit berühmt wurde er nicht nur durch seine außergewöhnlichen sportlichen Leistungen, sondern auch als einer der wenigen jüdischen Boxchampions. Salita kämpfte nicht am Schabbat oder an den Feiertagen, auch wenn es ihm Nachteile brachte. Er betet täglich, lernt Tora, geht regelmäßig in die Synagoge.
Der ehemalige Profiboxer hat einen eigenen, sehr erfolgreichen Boxstall
Aus beruflichen Gründen war er nun in Berlin. Der ehemalige Profiboxer hat einen eigenen, sehr erfolgreichen Boxstall. So vertritt er unter anderem die achtfache Boxweltmeisterin Claressa Shields, die in gleich zwei Gewichtsklassen alle vier bedeutenden WM-Titel (WBA, WBC, WBO, IBF) auf sich vereinen konnte. Und jüngst kämpfte eben einer seiner Schützlinge, Vladimir Shishkin, um den Weltmeistertitel des IBF-Boxverbandes in Falkensee. Als aktiver Boxer hat David Salita selbst unzählige Titel gewonnen: Metro Champion, Mayors Cup Champion, Gold National Champion. In seiner Profikarriere gewann er 35 von 38 Kämpfen, davon 18 durch K. o. Er war unter anderem IBF International Champion, WBA International Champion, WBF Junior Weltergewicht World Champion.
Er kämpfte nicht am Schabbat oder an den Feiertagen, auch wenn es ihm Nachteile brachte.
Geboren wurde er 1982 in der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Als er neun Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm in die USA, er wuchs in New York auf. Mit 13 begann er mit dem Boxsport. Von ihm ist der Satz überliefert: »Ich genieße es, anders zu sein. Die Leute sind überrascht, wie gut der weiße, jüdische Junge ist, dass er kämpfen kann. Ich nehme das als Kompliment.«
Fast zeitgleich kam er damals in Kontakt mit der Chabad-Bewegung. »Seit ich denken kann, habe ich immer an Gott geglaubt. Doch durch die Verbindung zum orthodoxen Judentum habe ich gelernt, was es bedeutet, meine Religion zu leben.« Der Gemeinschaft fühlt er sich seitdem verbunden. Wenn er in der Welt unterwegs ist, besucht er die Chabad-Zentren. Dort habe er stets das Gefühl, nach Hause zu kommen. »Sie respektieren jeden Menschen, unabhängig davon, woher er kommt, wie tief er im Judentum verwurzelt ist oder wie er aussieht. Und das ist sehr ermutigend.«
Über das jüdische Leben in Berlin findet er nur lobende Worte
In Berlin war er nun das erste Mal. Über das jüdische Leben hier findet er nur lobende Worte. »Das ist eine echte Gemeinschaft, eine wirklich großartige Gemeinde. Unglaublich, was hier aufgebaut wurde.« Er habe wunderbare Feiertage verlebt. »Und der Rabbiner macht eine unglaubliche Arbeit. Er hat mich sogar zu sich nach Hause in seine Sukka eingeladen.«
Auch die Begegnung mit den anderen Betern war für ihn sehr ermutigend, wie er berichtet. Bei manchen Gesprächen war die aktuelle Situation in Israel ein Thema. Und zum jüdischen Staat hat Salita, der im amerikanischen Detroit lebt, eine besondere Beziehung. »Ich erinnere mich, dass wir als junge Kinder, die in der Sowjetunion aufwuchsen, keine Religion hatten. Unsere einzige Verbindung zum Judentum bestand durch den Staat Israel.«
Zum aktuellen Krieg gegen den Terror hat er eine klare Meinung: Israel hat das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen. »Das jüdische Volk braucht den Staat Israel. Und was viele in der Welt als richtig und falsch ansehen, ist absolut unfassbar. Denn Israel schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt vor Bedrohungen. Ich unterstütze Israel.«
Überhaupt war es für ihn »eine interessante Erfahrung«, das erste Mal in der deutschen Hauptstadt gewesen zu sein. »Denn in der Sowjetunion hat man bereits in der Grundschule gelernt, was vor vielen Jahren in Deutschland passiert ist.«
Er fand es unglaublich, die Stärke und Unterstützung der jüdischen Gemeinde zu sehen und die Tatsache, dass es Polizisten gibt, die jeden Tag 24 Stunden vor der Synagoge stehen und sie beschützen.
In der Chabad-Synagoge in Wilmersdorf verbrachte er den Schabbat. Danach ging es nach Falkensee. Dort fand in der Stadthalle der Weltmeisterschaftskampf im Supermittelgewicht des Kubaners William Scull gegen den Russen Vladimir Shishkin statt. Zahlreiche Zuschauer und Prominente des Boxsports, darunter die Trainerlegende Ulli Wegner sowie der frühere Weltmeister Arthur Abraham, verfolgten das Geschehen. Der Titel der International Boxing Federation (IBF) ging nach zwölf Runden an Scull.
Er hat gelernt, mit Niederlagen umzugehen
Eine knappe Punktwertung. »Doch auch Boxfans auf der ganzen Welt waren der Meinung, dass Shishkin gewonnen hat«, meint Salita. Schließlich habe der doppelt so viele Schläge ausgeteilt und gelandet wie sein Gegner. Trotzdem wurde er als Verlierer gewertet. »Wir haben Berufung gegen das Urteil eingelegt«, sagt der Boxpromote
Er hat gelernt, mit Niederlagen umzugehen. »Es gibt diese jüdische Weisheit: Siebenmal hinfallen, achtmal aufstehen.« Man solle immer versuchen, daraus zu lernen, was die Lektion dieser Situation ist, und sich verbessern, betont er.
Besonders ist dem 42-Jährigen von diesem Abend aber noch eine andere Szene in Erinnerung geblieben: als in der Halle die deutsche Nationalhymne erklang und er mit der Kippa auf dem Kopf im Ring stand. Es sei das besondere Gefühl gewesen, in der heutigen Welt offen als Jude leben zu können, auch wenn es Menschen gebe, die negative und antisemitische Gefühle hätten, sagt er. »Für mich war es wirklich etwas ganz Besonderes, mit meiner Jarmulke beim Weltmeisterschaftskampf dabei zu sein und einen großartigen Jontef zu feiern.«