Austausch

Beste Freunde

Schauten hinter die Kulissen deutscher Polizeiarbeit: die israelischen Schüler bei ihrem Besuch in der Polizeidirektion Dresden Foto: Karin Vogelsberg

Der Freistaat Sachsen mag auf den ersten Blick für junge Israelis nicht unbedingt der bevorzugte Aufenthaltsort sein. Die nach wie vor jeden Montag stattfindenden rechtsgerichteten Pegida-Demonstrationen in Dresden und Aufmärsche von Rechtsextremen zum 13. Februar, wenn Dresden der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedenkt, flößen kaum Vertrauen in das südöstliche Bundesland ein. Und doch gibt es in diesen Tagen ein kleines Jubiläum zu feiern.

Seit zehn Jahren organisiert und betreut die Polizei des Freistaats den Besuch von israelischen Jugendlichen. Dabei handelt es sich um eine Partnerschaft zwischen der Polizei Sachsen und dem Verein Kinder- und Jugend-Aliyah. Er wurde 1933 in Berlin gegründet, um jüdische Kinder vor der Bedrohung durch das nationalsozialistische Regime zu schützen. Heute ist die Kinder- und Jugend-Aliyah das größte jüdische Kinderhilfswerk und die zentrale Organisation für Heimerziehung in Israel. In 125 Jugenddörfern betreut der Verein benachteiligte Kinder mit den unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Hintergründen.

Erfahrungen Das deutsche Komitee der Kinder- und Jugend-Aliyah hat seinen Sitz in Frankfurt am Main und engagiert sich für bilaterale Projekte zwischen Deutschland und Israel. Unter anderem sollen junge Leute aus unterschiedlichen Berufen jeweils für eine Woche Erfahrungen im anderen Land sammeln können.

In einigen israelischen Jugenddörfern können die Heranwachsenden neben der Schule eine Grundausbildung für den Polizeidienst absolvieren.

Das Bundesland Sachsen stieg sofort in die Patenschaft für junge Israelis ein.

Als Pava Raibstein, Geschäftsführerin der Kinder- und Jugend-Aliyah Deutschland, davon erfuhr, war sie begeistert. »Deutsche Polizisten als Paten für junge Israelis – das wäre doch ein eindrucksvolles Zeichen der Verständigung!«

Das Bundesland Sachsen stieg sofort in die Maßnahme ein. Deshalb sind seit einem Jahrzehnt jeden Sommer eine Woche lang junge Israelis aus dem Jugenddorf Kannot zu Gast bei der Polizei des Freistaats. Der Sächsische Landtag unterstützt die Polizei bei diesem Projekt finanziell.

Von sächsischer Seite aus besuchen Polizeistudenten den Austauschpartner. Ihre Visiten sind bisher zwar nicht so zahlreich und regelmäßig wie die Besuche der Israelis in Deutschland, aber Pava Raibstein freut sich über das steigende Interesse der Studenten an dem Austausch. »Sachsen ist ja derzeit eher negativ in den Schlagzeilen. Umso wichtiger ist es, dass das Bundesland seit zehn Jahren konstant und engagiert bei diesem Projekt mitmacht«, sagt Raibstein.

Auszeichnung Für die 15 bis 18 Jahre alten Jugendlichen aus Kannot ist der Besuch in Sachsen eine Auszeichnung. »Nur die Besten können an dem Austausch teilnehmen. Alle, die hier dabei sind, haben hart dafür gearbeitet«, erklärt Polizist und Ausbilder Dan Shaham.

Seit zehn Jahren organisiert und betreut die Polizei des Freistaats den Besuch von israelischen Jugendlichen.

Anlässlich des Jubiläums begrüßte Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar persönlich die 14 jungen Israelis und ihre drei Betreuer in der Polizeidirektion Dresden. »Die Unterstützung dieses Projekts ist mir eine Herzensangelegenheit«, unterstrich Sachsens oberster Ordnungshüter. Es sei der Weg zu Freiheit und Frieden, wenn junge Leute zusammenkommen und unvoreingenommen aufeinander zugehen.

In seiner Ansprache riet der Landespolizeipräsident den Gästen, sich in Sachsen gut umzuschauen. »Sie werden sehen, Sachsen ist ein sehr aufgeschlossenes, demokratisches Bundesland, das die Menschenrechte und die Grundrechte schützt.«

Alltag Im anschließenden Informationsvortrag über die Polizeiarbeit in Dresden ging es dann um den polizeilichen Alltag der Ordnungshüter. So erfordern die Spiele des Zweitligisten Dynamo Dresden hohe Polizeipräsenz zum Schutz vor Ausschreitungen der Klubanhänger. Pegida und die Demo zum Jahrestag des Bombardements Dresdens kommen hinzu.

Antisemitische und rechtsextreme Demonstrationen in Deutschland werden von Israel aus sehr genau beobachtet, sagt Pava Raibstein. Es gebe auch besorgte Nachfragen aus Israel. »Ist es noch sicher in Deutschland?«

Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar betonte, dass der Austausch mit Israel »in der gegenwärtigen Zeit, in der der Antisemitismus wieder neu Fuß fasst«, ein wichtiges Zeichen der deutsch-israelischen Freundschaft ist. »Wir in Sachsen haben die Chancen, die diese Freundschaft bietet, vor zehn Jahren erkannt. Jeder, der an diesem Austausch teilnimmt, ist ein Botschafter der Verständigung. Ich bin sicher, dass sich die jungen Leute auch in zehn oder 20 Jahren noch an diese Erfahrung erinnern.«

»Dieses Band, das wir geknüpft haben, ist sehr wichtig«, betont Dan Shaham.

Das bekräftigte auch Dan Shaham. Der Polizist begleitet die israelischen Schülerinnen und Schüler bei ihrem Besuch. »Dieses Band, das wir geknüpft haben, ist sehr wichtig«, betont er. Extrem rechte Tendenzen in Deutschland bereiten ihm keine Sorgen. Er konzentriert sich vielmehr auf die positive Entwicklung, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg durchlaufen hat. »Man muss anerkennen, wie Deutschland seine Vergangenheit aufgearbeitet hat. Und es ist aller Ehren wert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel so viele Flüchtlinge nach Deutschland geholt hat«, sagt der Israeli.

Auch Lior begegnet seinem Gastland ohne Vorbehalte. »Ich möchte gerne hinter die Kulissen schauen und bin bereit, mich jeden Tag überraschen zu lassen«, sagt der 17-jährige Schüler aus Kannot.

Programm Vielfältige Eindrücke sind ihm und seinen Kameradinnen und Kameraden sicher. Das umfangreiche Programm enthielt unter anderem einen Stadtrundgang in Dresden aus »Polizeisicht«. In der sächsischen Landeshauptstadt sahen sie sich auch das Fußballstadion und den Landtag an. Die Jugendlichen besuchten die Synagogen in Dresden und Leipzig.

Die Gruppe machte überdies einen Abstecher nach Thüringen, schaute sich Weimar an und besuchte die Gedenkstätte Buchenwald. Abgerundet wurde das Programm von Einblicken in die Arbeit der deutschen Polizei und Justiz.

Die israelischen Schüler besuchen auch die Gedenkstätte Buchenwald.

Obwohl sich die Grundlagen der Polizeiarbeit überall auf der Welt gleichen, haben die israelischen Schüler in Deutschland doch andere Situationen kennengelernt als in ihrer Heimat, davon ist Landespolizeipräsident Kretzschmar überzeugt. »Das gesellschaftliche Umfeld prägt die Polizeiarbeit. Durch die militärische Bedrohung in Israel ist die Lage natürlich ganz anders als in Deutschland. Wir leben ja hier im tiefsten Frieden.«

Nächstes Jahr will sich der sächsische Landespolizeipräsident selbst ein Bild von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Polizeiarbeit machen. Im Rahmen des Austauschs will Kretzschmar nach Israel reisen und mit den Kollegen dort sprechen.

 

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