Vor gut 25 Jahren kamen die ersten jüdischen Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Anlass für die Bildungsabteilung im Zentralrat, ein zweitägiges Seminar für Funktionsträger in den Gemeinden unter dem Motto: »Wie weiter? 25 Jahre russisch-jüdische Integrationserfahrungen« anzubieten. Rund 50 Gemeindevorsitzende und Geschäftsführer kamen von Straubing bis Kiel, von Krefeld bis Leipzig am Mittwoch und Donnerstag nach Berlin.
Und es war »absolut notwendig«, wie Küf Kaufmann, Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Leipzig, betonte. »Wir haben in den beiden Tagen erlebt, wie die Menschen Herz und Seele auf dem Tisch ausgebreitet haben. Es geht ihnen sehr ernsthaft um die Zukunft der Gemeinden.«
Integration Diese sieht für die kleineren Gemeinden nicht gut aus. Vor allem junge Leute – für viele Teilnehmer kein Geheimnis und dennoch immer wieder als Problem ins Bewusstsein gehoben – verlassen die Orte der Kindheit und Jugend für Studium und Berufsausbildung. Die Erfolgsgeschichte der Integration, so Karen Körber, Soziologin an der Universität Hamburg, ist für die Gemeinden teils sogar ein Fluch. Denn die Zuwanderer der zweiten Generation sind hervorragend ausgebildet, 90 Prozent von ihnen machen das Abitur und verlassen für ihre Ausbildung die kleinen Städte, das heißt die kleinen Gemeinden. Ihre Integration macht sie mobil, und gleichzeitig gehen sie der jüdischen Gemeinschaft verloren.
Im Rahmen einer Studie hatte Körber 270 junge Juden online und 35 in direkten Interviews befragt. Die allgemeine Tendenz: Es gibt für die allermeisten von ihnen keinen Anknüpfungspunkt an die Gemeinden. Ein kleiner Teil suche eine religiöse Gemeinschaft, die man bei den Angeboten von Lauder oder Chabad finde. Andere wollen nur lockere und individuelle Verbindungen an ihrem jeweiligen Wohnort eingehen, die jüdisch, aber nicht unbedingt religiös und vor allem nicht dauerhaft bindend sind.
Lösungen Genau dies trifft den wunden Punkt der Gemeinden, für den dringend Lösungsansätze gesucht werden. Ruth Schulhof-Walter aus Köln wünscht sich für ein zukünftiges Seminar fachliche Beratung zu diesem Themenkomplex. Arkadiy Lyubinskiy aus Augsburg fragt vor allem nach entsprechend ausgebildeten Rabbinern, die jungen Menschen wieder eine jüdisch-religiöse Identität vermitteln können. Konkret wurde Irina Katz aus Freiburg, die das Thema Streitschlichtung und Rhetorik aufgenommen wissen möchte.
Judith Neuwald-Tasbach, Gemeindevorsitzende aus Gelsenkirchen, regte ein Jugendcamp an, um durchzuspielen, wie eine Gemeinde funktioniert. Ursprünglich habe sie gedacht, dass die Informationen für junge Menschen gedacht seien, die lernen sollten, wie eine Gemeinde funktioniert. In der abschließenden Runde revidierte sie ihren Vorschlag und sagte: »Wir, die Gemeindevorsitzenden, könnten aus einem solchen Camp ebenfalls lernen und hören, wie Jugendliche die Gemeinde sehen.« Ein solches »Jugendparlament« böte die Möglichkeit, den Blickwinkel junger Menschen besser kennenzulernen.
»Es ist nie zu spät«, sagte Küf Kaufmann, »wenn die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft gestaltet werden soll« – egal um welche Aufgabe es geht.