Noch unter dem vormaligen Intendanten der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, begann der Dramaturg Martin Valdés-Stauber, die – wie sich schnell herausstellte – dunkle Vergangenheit dieser Theaterhochburg zu erforschen. Erste Vorwürfe gegen den Regisseur und Theaterleiter Otto Falckenberg (1873–1947), dessen Büste im Theaterfoyer thront, wurden bereits im Dezember 1945 laut.
Doch es dauerte mehr als 70 Jahre, bis eine systematische Recherche begann. 2018 startete Valdés-Staubers Forschungsprojekt über Schicksale der am Hause Tätigen, die in der NS-Zeit verfolgt, vertrieben und größtenteils ermordet wurden. Valdés-Stauber fand Unterstützung auch bei der neuen Intendantin Barbara Mundel, vor allem aber bei dem leidenschaftlich recherchierenden pensionierten Lehrer-Ehepaar Janne und Klaus Weinzierl.
erinnerungszeichen Erstes sichtbares Ergebnis war die Anbringung von Erinnerungszeichen am Theaterzugang für fünf einst am Theater Beschäftigte, die dem NS-Unrechtsregime als politisch missliebig oder rassisch verfolgt zum Opfer fielen.
Seit Kurzem wird diese Installation durch einen Schaukasten gegenüber dem Spielplan im Eingangsbereich der Münchner Kammerspiele ergänzt. Er führt die Namen von 28 Männern und Frauen auf, die als Autoren, Dramaturgen, Theaterdirektoren, Schauspieler und Mäzene zum Ruhm des Hauses beitrugen.
Es dauerte mehr als 70 Jahre, bis eine systematische Recherche begann.
Manch einem, wie Benno Bing, erster geschäftsführender Direktor und Theateranwalt, gelang die Flucht nach Frankreich. Dort jedoch wurde Bing 1942 als »juif étranger« verhaftet und über das Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Denselben Weg in den Tod mussten der Schauspieler Hans Tinter, der Autor Ludwig Hirschfeld, der Übersetzer August L. Meyer und der Komponist Eugen Auerbach nehmen. Die Schauspielerinnen Emmy Rowohlt und Eva Kessler gingen infolge systematischen Nahrungsentzugs im sogenannten Hungerhaus in Eglfing-Haar zugrunde. Suizid verübten die Autoren Egon Friedell, Ludwig Fulda und Walter Hasenclever wie auch der Theaterarzt Stephan S. Fuld.
enthüllung Die Liste der Drangsal und des Leids, die bei der offiziellen Enthüllung dieses aus 28 Namenszügen bestehenden Mahnmals vorgetragen wurde, ist kaum zu ertragen. In Vertretung des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter war der ehrenamtliche Stadtrat David Süß von den Grünen – Rosa Liste anwesend. Wie er in seiner Grußadresse ausführte, ist es für ihn »unfassbar, dass nach der Schoa, nach der systematischen Ermordung von sechs Millionen jüdischen Frauen, Männern und Kindern durch Deutsche und ihre Helfershelfer, Antisemitismus in Deutschland immer stärker anwächst«.
Für Süß sei es »ein besonderes Signal, dass es an den Kammerspielen das Projekt ›Erinnerung als Arbeit an der Gegenwart‹ gibt«. Finanziell gefördert wird es durch die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«.