Die Polizeipressestelle meldete den Vorfall am Dienstag vergangener Woche unter der Überschrift »Familie antisemitisch beleidigt«. Danach hatte ein Familienvater am Abend zuvor angezeigt, dass mehrere Jugendliche und Kinder mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund die Fenster seiner Wohnung mit Schneebällen beworfen hatten. Seine gesamte Familie werde seit einiger Zeit wegen ihres jüdischen Glaubens schikaniert und beleidigt. Die Kinder und Jugendlichen, die auch schon mit Steinen geworfen haben sollen, stammen aus der Wohnumgebung oder der Schule der beschimpften Kinder. Die Polizei ermittle nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Einen Tag nach Bekanntwerden dieser Meldung beschäftigte sich die Repräsantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit dem Vorfall. Es wurde zu einer allgemeinen Aussprache über das Vorgehen gegen Antisemitismus.
Prävention Der Antisemitismusbeauftragte der Gemeinde, Levi Salomon, sagte, dass er mit der im Bezirk Charlottenburg lebenden Familie, die sich öffentlich nicht äußern möchte, in Kontakt stehe. Auf die Frage, was nun zu tun sei, gebe es keine einfache Antwort. Der betroffenen Familie wolle er so gut es geht helfen. Ansonsten würde er sich wünschen, auch direkt an die Familien der jungen Täter heranzukommen. Neben den klassischen Präventionsmaßnahmen müssten die Eltern »in Haft genommen werden«, sagt Levinson. Er müsse deutlich gesagt werden, dass »wir in dieser Gesellschaft so ein Verhalten nicht tolerieren«.
Die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind berichtete, sie bemühe sich bereits seit zwei Jahren mit palästinensischen Organisationen Kontakt aufzunehmen. Allerdings ohne Erfolg. Rabbinerin Gesa Ederberg, die sich im christlich-jüdisch-muslimischen Trialog engagiert, meint, dass man die Jugendlichen eher erreicht, indem man im Ethikunterricht die Gemeinsamkeiten der Religionen zum Thema macht, statt immer mit dem Antisemitismusvorwurf zu kommen.
Strategie »Es sollte strategisch vorgebaut werden«, gab Sergej Lagodinsky, Präsidiumsmitglied der RV, zu bedenken. »Wir brauchen eine breitangelegte Strategie, die auf die Frage eingeht, wohin wir uns bewegen wollen.« Das Zusammenleben der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde soll in Zusammenarbeit mit anderen größeren Minderheiten in Berlin gestaltet werden. »Im Sinne von zusammen, nicht mit Abgrenzung.« Die Gemeinde dürfe keine Festung werden. Es gebe zwar nicht genug, aber immerhin einige erfolgreiche Projekte, in denen das Problem angepackt werde, sagt Lagodinsky.
Die Öffentlichkeit müsse mehr sensibilisiert werden, meinte Salomon. »Wir arbeiten auf dieser Ebene mit der Regierung und unterschiedlichen Initiativen zusammen.« Dazu haben die Gemeinde auch ein jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) gegründet, das die Ziele durch Bildungs-, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit verfolge, durch Vortragsreihen, Konferenzen und Publikationen. Ferne strebe das Forum ein Bündnis mit anderen Institutionen und Gruppierungen an, deren Ziel es ist, antidemokratische und antisemitische Tendenzen zu bekämpfen. Zudem hat die Gemeinde für Betroffene eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet.
Sie hat die Rufnummer: 0800/ 880280