Schon jetzt klingeln die Telefone häufig. »Es ist bereits sehr gut nachgefragt«, sagt Aron Schuster, Leiter der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) über das neue Projekt »Matan«. Seit Januar werden Menschen, die sich in einer Notlage oder in Schwierigkeiten befinden, von geschultem Personal beraten. »Es handelt sich um eine erste und anonyme Begleitung: zuhören, halten, unterstützen und, wenn nötig, weiterleiten.« Das Besondere: Die Beratung findet auf Hebräisch statt.
Am Donnerstag wird das Projekt offiziell in Berlin vorgestellt. »Wir haben in der vergangenen Zeit bemerkt, dass immer mehr Personen aus der hebräischsprachigen Community auf Hilfe angewiesen sind und es einen hohen Bedarf an muttersprachlicher Unterstützung gibt«, so Schuster. Immer mehr Israelis seien in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen, und nicht jeder finde sich sofort zurecht.
hotline Die Hotline wurde von »Zusammen. Berlin« initiiert. Träger sind OFEK, die Fachberatungsstelle, die auf Antisemitismus und Community-basierte Beratung spezialisiert ist, und die ZWST. Damit soll der Zugang zu dringend benötigten Unterstützungsangeboten erleichtert werden. »Matan« ist Hebräisch und bedeutet »Geschenk« oder »Gabe«. »Dank der finanziellen Zuwendung der Deutschen Fernsehlotterie war es uns möglich, die Hotline einzurichten«, sagt Aron Schuster.
Es gibt viele Auswirkungen auf die Psyche, die mit einem Umzug verbunden sind. Vor allem häufige Wohnungswechsel können die mentale Belastung erhöhen und bis hin zum Ausbruch einer Erkrankung führen. Ins Ausland zu ziehen, kann die Gefahr potenzieren. Zusätzliche Sprachprobleme machen die neue Situation nicht einfacher. »Matan« bietet hier eine erste und anonyme Begleitung an.
Dem Projekt geht es vor allem darum, Ansprechpartner zu sein. Die Mitarbeiter sind dabei eng mit der Kirchlichen Telefonseelsorge im Austausch und werden in schwierigen Situationen durch empathisches Zuhören eine erste Reaktion geben. Anrufen darf somit jeder, der zunächst einmal Redebedarf hat – sei es, weil man sich allein fühlt oder wenn komplexere Probleme zur Belastung werden.
idee Die Idee für das Projekt ist aus dem Gemeinschaftsbedarf entstanden und wurde von Mitgliedern ins Leben gerufen. Es ist eine Reaktion auf den großen Bedarf der hebräischsprachigen Community in Deutschland nach muttersprachlicher Unterstützung. Seit fünf Jahren findet sich das Projektteam regelmäßig zusammen, um die Bedürfnisse, die entstanden sind, genau zu verstehen und eine geeignete Lösung zu finden.
Anrufen darf jeder, der zunächst Redebedarf hat, egal, was ihn bedrückt.
Aus diesem Prozess heraus ist die Hotline entstanden. Hebräischsprachige Menschen können sich täglich zwischen 20 und 22 Uhr telefonisch melden und sich in ihrer Muttersprache von etwa 20 Mitarbeitern helfen und beraten lassen. Das Leitungsteam des Projekts, das aus erfahrenen Psychologen und Sozialarbeitern besteht, hat die ehrenamtlichen Mitarbeiter hierfür extra ausgebildet und betreut sie auch währenddessen weiterhin.
Die Mitarbeiter seien somit auf den Umgang mit einer Vielzahl von möglichen Situationen vorbereitet, so die ZWST. Sollten sie auf eine Frage dennoch nicht antworten können, stehe eine Datenbank an Einrichtungen zur Verfügung, auf die nach individuellem Bedarf verwiesen werden kann, heißt es auf der Homepage.
FRAGEN Ein neues Umfeld bedeutet auch, sich neu orientieren zu müssen. Vermeintlich banale Fragen des Alltags können schnell zu einer Herausforderung werden. Bereits jetzt finden sich hierfür auf der Website hilfreiche Hinweise. Eine Datenbank sammelt Kontaktinformationen für verschiedene Dienstleistungen.
In Kategorien aufgeteilt, finden sich darunter beispielsweise Kontakte zu Tierärzten im Notdienst, eine Telefonnummer, unter der man seine EC-Karte bei Verlust oder Diebstahl schnell sperren lassen kann, die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder der Kontakt zu den Berliner Wasserbetrieben. Aber auch Dienstleistungen im Kontext der psychischen Gesundheit, Unterstützung und Hilfe in Gewaltfällen und Melde- und Beratungsstellen bei antisemitischen oder rassistischen Vorfällen sind in der Datenbank verzeichnet.
»Matan« ist kein Ersatz für eine Anzeige bei der Polizei. Wenn nach Vorfällen oder Unfällen eine Möglichkeit benötigt wird, mit den Behörden in Kontakt zu treten, soll die Datenbank einen schnellen Zugriff auf die entsprechenden Dienste ermöglichen. Die Informationen wurden von den Mitarbeitern gesammelt und werden im Lauf der Zeit erweitert und aktualisiert.
Geleitet wird das Projekt von Nitzan Milin. Milin ist überzeugt, dass Initiativen wie »Matan« es ermöglichen, eine genaue und notwendige Antwort auf die Bedürfnisse einer Gemeinschaft zu geben.