Frau Horn, Sie haben Yashar gegründet, eine Stiftung für deutsch-israelische Perspektiven. Was genau ist Ihr Ziel?
Yashar ist hebräisch und bedeutet: aufrecht, offen, direkt. Es beschreibt positive Eigenschaften: Yashar will aus klassischen Mustern ausbrechen. Wir stülpen niemandem etwas über, sondern bieten eine Plattform im Kunst- und Kulturbereich. Dabei verstehen wir uns als ein weißes Blatt, das die Teilnehmer mit Themen beschreiben können, die ihnen wichtig sind, egal ob Umwelt, Liebe oder Musik.
Wie haben Sie die Idee dazu entwickelt?
Das begann 2013. Zu der Zeit lebte ich in Israel und arbeitete als Sozialwissenschaftlerin am Leo Baeck Zentrum Haifa. Ein deutsches Ehepaar, das ich aus meiner Zeit aus Mannheim als Organisatorin von deutsch-israelischem Jugendaustausch kannte, bot mir an, eine Stiftung zu finanzieren – eine überaus glückliche Startlage.
Als Ehrenpräsidenten haben Sie Rabbiner William Wolff ins Boot geholt ...
Aus gutem Grund! Er lebt genau das, was wir vermitteln wollen: Freigeistigkeit, Offenheit und Menschlichkeit.
Worin unterscheidet sich Yashar von anderen deutsch-israelischen Initiativen?
Meine Herangehensweise war, zu schauen: Welche sind die zentralen Herausforderungen? Und: Werden sie gegenwärtig auf ausreichende Art und Weise behandelt? Auf der Elitenebene läuft es relativ gut. Aber daneben tut sich eine Kluft auf: Einerseits gibt es ein positives Deutschlandbild in Israel, umgekehrt jedoch herrschen Vorbehalte gegenüber Israel vor. Zudem haben wir in Deutschland ein großes Problem mit israelbezogenem Antisemitismus.
Wie wollen Sie die Fragen angehen?
Indem wir unseren Fokus auf junge Leute richten: Wir brauchen mehr junge Leute, die sich für die deutsch-israelischen Beziehungen begeistern, insbesondere junge Leute mit Migrationserfahrung. Das ist ein weiterer Schwerpunkt: Wir wollen ihnen klarmachen, warum es für sie wertvoll sein kann, sich mit dem Land auseinanderzusetzen.
Und was, wenn die Bereitschaft dazu gar nicht vorhanden ist?
Es geht uns nicht darum, Leute in Projekte zu integrieren, die Israel dogmatisch gegenüberstehen, ebenso wenig, wie es Sinn macht, Neonazis anzusprechen. Da verschwendet man nur seine Ressourcen. Wir wollen junge Menschen mit Wurzeln in anderen Kulturkreisen einbinden, die noch kein oder wenig Wissen haben, bei denen das Thema Israel neutral besetzt ist, oder die zwar zu negativen Ansichten neigen, aber dennoch offen sind.
Wodurch wollen Sie das erreichen?
Zum einen mit Mut, das einfach einmal auszuprobieren – das ist auch einer der Gründe dafür, weshalb wir uns »Experimentalraum für globales Denken und gemeinsames Schaffen« nennen. Zum anderen mit Empowerment, Ermutigung zu Selbstbestimmtheit also: In einem Projekt muss man einander vertrauen und als Team funktionieren – erst dann erzeugt man Empathie und Menschlichkeit. Dann ist auch im Kopf ein Kanal geöffnet, eine Bereitschaft, sich als Menschen zu begegnen und zuzuhören. Dann stellt man Fragen: Wie bist du aufgewachsen? Wie sieht dein Alltag aus? Wie hast du Krieg oder Terror erlebt? Welche Geschichte hat deine Familie? Dann ist das Ganze nicht mehr abstrakt, sondern konkret. Das ist unser Schlüssel.
Was können Kunst und Kultur da bewirken?
Kreative Arbeit kann die Kids emotional berühren. Dabei spielt das Miteinander eine entscheidende Rolle: Tiefe Begegnungen bewirken mitunter mehr als Schulbücher. Zudem gibt es nach meiner Erfahrung nicht genug Freiräume für Teenager, wo sie sich mit ihren Talenten und Interessen ausprobieren können – auf Augenhöhe.
Klingt ein wenig nach Schüleraustausch ...
Nein, eben nicht. Der läuft oft nach Schema F ab: Gedenkstättenbesuch, Ansprachen, Diskussion zum Nahostkoflikt – Raum für zwischenmenschliche Begegnung bleibt da häufig auf der Strecke. Gemeinsamkeiten kann man jedoch erst dann herausfiltern, wenn man zusammen etwas erschafft, was einen selbst und andere bewegt, etwa mit einer Performance. Genau das planen wir mit unserem bevorstehenden Pilotprojekt.
Worum geht es dabei?
Das Projekt heißt »Here We Are!«. Es bringt 36 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren aus Deutschland, Israel und Ruanda zusammen. Mit professionellen Mentoren aus diesen drei Ländern entwickeln sie ein Musik-, Tanz- und Filmprojekt, das sie in allen drei Ländern aufführen werden. Wenn wir die deutsch-israelischen Beziehungen weiterentwickeln wollen, müssen wir raus aus Scheuklappendenken und Worthülsen. Denn perspektivisch bleibt man nur attraktiv für junge Leute, wenn man sie mitgestalten lässt.
Mit der Gründerin der Stiftung Yashar sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.