Schalom Aleikum

Begegnung auf Augenhöhe

Im Leo-Baeck-Haus: Am Mittwoch zog Zentralratspräsident Josef Schuster eine erste Bilanz. Foto: Gregor Zielke

Berlin, Würzburg, Leipzig und Osnabrück – das sind die Stationen, an denen »Schalom Aleikum« bereits haltgemacht hat. Rund 400 Menschen waren bei den Veranstaltungen bislang mit dabei und sind miteinander ins Gespräch gekommen.

Am Mittwoch zog Zentralratspräsident Josef Schuster eine erste Bilanz des Begegnungsprojektes des Zentralrats der Juden. »Gerade in Zeiten einer wachsenden Polarisierung unserer Gesellschaft und der steigenden Aggressivität brauchen wir die Verständigung der unterschiedlichen Religionen und Kulturen. Schalom Aleikum trägt somit ein kleines Stück zum gesellschaftlichen Frieden bei«, betonte Schuster auf der Pressekonferenz in Berlin.

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Kontakte »Die Teilnehmer unseres Projekts stellen durchgängig fest, wie viel sie gemeinsam haben«, sagte der Zentralratspräsident und zog denn auch eine durchgehend positive Bilanz. In zahlreichen Treffen von Juden und Muslimen, die bewusst eben nicht auf Funktionärsebene stattfinden, wie Schuster betonte, konnten Berührungsängste auf beiden Seiten abgebaut und Brücken gebaut werden.

»Die Teilnehmer unseres Projekts stellen durchgängig fest, wie viel sie gemeinsam haben«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Allerdings sei für einen nachhaltigen Ausbau und eine Vertiefung der Kontakte mehr Zeit notwendig, als sie seit Start des Projekts im Mai dieses Jahres bislang zur Verfügung stand. Schuster warb damit um eine Fortsetzung des Programms, das von der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz, mit 1,2 Millionen Euro gefördert wurde.

Der Projektleiter von Schalom Aleikum, Dmitrij Belkin, sprach von einem einmaligen Netzwerk, das durch die Treffen entstanden sei und noch weiter entstehen werde. Ziel sei es, »normale Bürger in den Dialog zu bringen«. Dafür Gesprächspartner zu finden, bedürfe einer umfangreichen Recherche, da es auf muslimischer Seite nicht »den« Ansprechpartner gebe.

Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann erläuterte zudem, dass mithilfe einer Online-Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa herausgefunden werden soll, wie die Stimmung in der jüdischen und muslimischen Bevölkerung ist, wo es Vorbehalte gebe und wo sich Konfliktlinien zeigten. Mit jeder Veranstaltung lerne man dazu, betonte Botmann.

Anfang Alles begann mit dem »Starting Dialog« im Juli in Berlin, bei dem junge jüdische und muslimische Start-up-Unternehmerinnen und -Unternehmer der Frage nachgingen, ob und in welcher Weise die Religion ihr Geschäft beeinflusst. So traf beispielsweise die muslimische Modemacherin Naomi Afia Günes-Schneider auf den jüdischen Unternehmer Boris Moshkovits, der mit seiner Firma medizinisches Cannabis importiert. Für beide war es wichtig, den Dialog »in die Familie, den Freundeskreis, den Sportverein« hineinzutragen.

Ansatz und Forderung setzten sich beim jüdisch-muslimisch-christlichen Familientreffen in Würzburg fort. Man wollte Vorurteile und Anfeindungen in Bezug auf Glauben und Traditionen abbauen. Besonders interessant die Aussagen der beiden zwölfjährigen Mädchen Etel Grinbuch und Sirin Sen über ihre Erfahrungen von Ausgrenzung in der Schule.

Dass »jemand etwas Blödes oder Böses« zu ihr gesagt habe, sei ihr bislang nicht passiert, erzählte Sirin Sen. Etel Grinbuch erzählt, dass sie einmal ein Klassenkamerad »angestarrt« habe, als er erfuhr, dass sie Jüdin sei. Sich gegenseitig zu verunglimpfen, sei unmöglich, betonten beide.

Frauen In Leipzig hatten sich Musliminnen und Jüdinnen zu einem Schalom-Aleikum-Austausch getroffen. Rebbetzin Marina Charnis entdeckte dabei, dass die alltäglichen Wünsche, Ängste und Hoffnungen doch oft dieselben seien. Sie stelle das immer häufiger fest, je mehr Menschen anderen Glaubens oder von anderen Strömungen des eigenen Glaubens sie näher kennenlerne. Eine der großen Gemeinsamkeiten, so Musliminnen und Jüdinnen, sei die Tatsache, sich als Minderheit mit einer deutschen Mehrheitsgesellschaft auseinandersetzen zu müssen.

Insgesamt waren sich die Frauen darüber einig, dass das Einzige, das gegen Vorurteile und Ausgrenzung helfe, nur verlässliche Information sei.
Junge Unternehmer, Familien, Frauen – in Osnabrück wurde im Oktober der gesellschaftliche Querschnitt um die Senioren erweitert. »See the Other Side – mutige Entdecker bleiben« lautete das Motto des Treffens in Niedersachsen, zu dem die meisten Teilnehmer, nämlich 90, kamen.

https://www.instagram.com/p/B4KjpA7I_jA/

Bei dem muslimisch-jüdischen Dialog der älteren Generation standen die Biografien und darin ihre Migrations- und Diskriminierungserfahrungen im Mittelpunkt. Es zeigte sich, dass im fortgeschrittenen Alter die Religionen weniger Kontakt miteinander haben. Inessa Goldmann hat trotz aller Berührungsängste ihrerseits gegenüber muslimischen Nachbarn gute Erfahrungen gemacht, erzählt sie. Sie sei herzlich und durchaus solidarisch mit kleinen Gesten im Alltag unterstützt worden, als sie Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland kam. Enge Kontakte zu Muslimen seien nicht entstanden, betonte der Teilnehmer Semen Wassermann.

Diskussionen Es gebe durchaus lebendige Diskussion bei den Veranstaltungen, sagte Dmitrij Belkin. Man müsse sich jedoch im Klaren darüber sein, dass Schalom Aleikum kein Deradikalisierungsprojekt sei, sagte Daniel Botmann. Das Zentralratsprojekt solle Menschen dagegen immunisieren, antisemitisches Gedankengut aufzunehmen.

Demnächst soll der #DialogDigital Berlin stattfinden.

Schalom Aleikum setzt sein Projekt im Dezember fort. Am 19. November geht es in Berlin um neue Medien, Digitalisierung, Aufgabe und Verantwortung von Influencern. In Workshops und Diskussionsrunden sollen dann gemeinsam kreative Ansätze für den Dialog erörtert werden.

Schule Der Antisemitismus an Schulen soll am 25. November Thema in Köln sein. »Antisemitismus passiert häufig im schulischen Umfeld«, sagte Zentralratspräsident Schuster. Das Problem, das erkannt wurde, ist, dass Lehrer weder im Studium noch in ihrer weiteren Ausbildung wissen, was zu tun ist, wenn auf dem Schulhof »Du Jude« als Schimpfwort benutzt werde, betonte er.

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Gemeindetag Im Rahmen des Gemeindetages werden vom 19. bis 22. Dezember in Berlin fünf Podiumsdiskussionen rund um den jüdisch-muslimischen Dialog angeboten.

Für das kommende Jahr wolle man mit Schalom Aleikum noch mehr Menschen an Brennpunkten miteinander ins Gespräch bringen – zum Treffen auf Augenhöhe.

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