Die kleine Rhöngemeinde Willmars durchzieht ein tiefer Riss. Seit dem Jahr 2007 trägt sich ein örtlicher Bauer mit dem Gedanken, einen Schweinemaststall zu bauen. Eigentlich nichts Besonderes in einer ländlichen Umgebung. Sollte man meinen.
Direkt benachbart zu dem geplanten Stall befindet sich der Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde zu Willmars. Eine kleine, aber stolze Gemeinde, bevor die Nationalsozialisten auch die Juden dieses Ortes verfolgten und ermordeten. Der Friedhof gehört zu den schönsten, die man in Franken finden kann. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg wurde er liebevoll gepflegt. Heimatforscher haben sich mehrmals mit der Vergangenheit der Ruhestätte beschäftigt.
klage In dieses Idyll passt so überhaupt nicht das Grunzen und der Gestank von Schweinen. Viele Menschen waren dieser Überzeugung. Vor Ort wurde protestiert. In der ganzen Republik meldeten sich Menschen zu Wort. So auch die ehemalige Ministerin und Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher. Viel Gründe führten dazu, dass die Israelitsche Kultusgemeinde in Bayern gegen die Errichtung eines Schweinemaststalles größeren Ausmaßes klagte.
Vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg unterlagen jetzt die Gegner gegenüber dem Landwirt. Die schriftliche Begründung des Urteils steht zwar noch aus, aber der Unmut gegenüber der richterlichen Entscheidung ist nicht zu überhören. Rabbiner Jakov Ebert aus Würzburg ist entsetzt: »Das ist ein Dorn für die jüdische Religion. Es gibt bei uns Leute, die noch nicht mal das Wort Schwein in den Mund nehmen. Und dann dieser Gestank bei einem Friedhof!«
jüdische Gäste Unverständnis zeigen auch engagierte Bürger des Ortes. Gemeinderätin Ulrike Emmert hat schon Verwandte von ehemaligen Juden aus Willmars empfangen. Ehrenvolles Gedenken dürfte wohl in der Nachbarschaft zu mindestens 1.000 Schweinen kaum möglich sein. Sie hofft immer noch auf eine Konsenslösung mit dem Landwirt. In dieser Hoffnung wird sie von der Heimatforscherin Elisabeth Böhrer unterstützt.
Bürgermeister und Jurist Reimund Voß hat kein Verständnis für die Entscheidung zugunsten des Schweinestalls. »Es macht keinen Sinn, von der christlich-jüdischen Kultur in Deutschland zu reden, um dann in Baugenehmigungen die jüdische Kultur mit Füßen zu treten. Auch im Außenbereich darf nach § 35 Baugesetzbuch nicht gebaut werden, wenn öffentliche Belange, wie Religionsausübung, entgegenstehen. Das wird von Obergerichten noch zu werten sein«, ist sich Voß sicher
Interessen In der kleinen Gemeinde treffen viele Interessen aufeinander. Natürlich gibt es einige, denen es lediglich um die Frage der Geruchsbelästigung für die Wohnbebauung geht. Die Ökologie spielt eine wichtige Rolle. Eine mögliche Belastung des Grundwassers treibt viele um. Auf der Gegenseite spielen wohl hauptsächlich die guten Gewinnerwartungen eine Rolle. Industrielle Schweinezucht ist ein lukratives Geschäft.
Es ist aber immer noch die Respektlosigkeit, die einer Religionsgemeinschaft angetan wird, die einem unerträglich erscheint. Jetzt in der feuchteren Jahreszeit sind die Zufahrtswege zum Friedhof deutlich von den landwirtschaftlichen Fahrzeugen in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Schweinemast wird sich die Belastung verstärken, befürchten die Gegner. Die große Menge anfallender Schweinegülle wird auf den umliegenden Feldern großzügig ausgebracht werden. Wegen der dortigen Hangneigung erscheint es unvermeidlich, dass die Gülle in Richtung des Friedhofs sickert.
In ganz Mainfranken wurde gerne Sandstein zum Bauen und bei Grabmalen verwendet. Dieses Gestein prägt die Region. Allerdings ist der Stein gegenüber Umwelteinflüssen extrem empfindlich. Auch über die Luft werden durch Aerosole Schadstoffe wie Ammoniak in Richtung des Friedhofs getragen. Er liegt grob in der Hauptwindrichtung. Verständlich, dass Bayerns oberster Denkmalschützer Johannes Greipl den Stall ablehnt.
Josef Schuster, Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, macht sich so seine Gedanken: »Über Jahrhunderte bediente man sich des Schweins, um Juden zu verspotten und zu demütigen. Dies vermutlich rein technokratisch begründete Urteil verletzt die jüdischen Religionsvorschriften. Moralisch-ethische Grundsätze der aktuell häufig zitierten gemeinsamen christlich-jüdischen Kultur werden durch das Urteil mit Füßen getreten.« Aber auch Josef Schuster will erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung in Händen halten und dann entscheiden, ob man in die Revision des Urteils gehen sollte.