Im Jahr 1920 war Bar Kochba Leipzig gegründet worden, doch 19 Jahre später, 1939, zwangen die Nazis den jüdischen Fußballklub zur Auflösung. Von nun an erinnert eine Gedenkstele an jenem Ort in der Leipziger Elsterstraße 7 an Bar Kochba, wo einst Jugendhaus und Geschäftsstelle standen.
Zur Einweihung der Stele vergangene Woche waren auch eine Tochter und eine Enkelin des einstigen Vereinsmitglieds Hermann Bernhard Rafe nach Leipzig gekommen. Auf der Stele ist eine Aluminiumplatte angebracht, die einen Fußballer zeigt, der gerade schießt, dazu der Text »Viele Vereinsmitglieder wurden verhaftet und inhaftiert, mussten fliehen, verloren ihre Heimat oder wurden ermordet«.
schiedsrichter Der »Leipziger Volkszeitung« erzählte Bat-Ami Goldstein, die Tochter Rafes, dass sie beim Aufräumen den alten Schiedsrichterausweis ihres Vaters gefunden hatte. Der war nämlich nicht nur Spieler, konkret: Stürmer beim SK Bar Kochba gewesen, sondern hatte für den Klub auch gepfiffen.
Anders als die meisten seiner Klubkameraden überlebte Rafe die Schoa. Wie, das berichtete Orly Goldstein, seine Enkelin, in Leipzig. 1935 war Rafe mit anderen Bar-Kochba-Sportlern zur Makkabiade nach Tel Aviv gefahren. Er wollte zurück, doch sein im damaligen Palästina lebender Cousin schloss Rafe kurzerhand in seinem Zimmer ein. »Du gehst nicht zurück nach Deutschland!«, soll der Cousin gesagt haben. »Deine Mutter bittet dich, hier zu bleiben.«
Der Cousin öffnete die Tür für den protestierenden Rafe erst, als das Schiff, das ihn von Haifa zurückbringen sollte, schon abgelegt hatte. Rafe blieb in Tel Aviv, spielte dort für Hakoah Fußball, gründete eine Familie und starb 1991 friedlich. An das Schicksal seiner in der Schoa ermordeten Verwandten erinnern in der Leipziger Hainstraße 31 und im Brühl 2 mittlerweile »Stolpersteine«.
recherche Initiiert wurde die Gedenktafel für den SK Bar Kochba von Henry Lewkowitz und Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus und Bernd Günther vom Stadtverband Leipzig des DGB. Zu den Unterstützern gehört auch die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig mit ihrem engagierten Vorsitzenden Küf Kaufmann.
Gemeindechef Kaufmann betonte in seiner Rede zur Steleneinweihung, wie wichtig es ist, in diesen Zeiten an die NS-Opfer zu erinnern. »Der sportliche Geist von Bar Kochba«, ist sich Kaufmann sicher, »wird nie aus dem Leben unserer Stadt ausgelöscht werden.«
Dass Bar Kochba dem Vergessen entrissen wurde, ist auch der Leipziger Volkszeitung zu verdanken, die im Sommer 2017 mit einer Recherche zur Geschichte des Klubs begonnen hatte. Die geringe Kenntnis über den Verein und seine Geschichte überraschte auch deswegen, weil Leipzig zu DDR-Zeiten die Sportuniversität Deutsche Hochschule für Körperkultur beherbergte, der Thinktank des DDR-Sports, in dem auch zu Sportgeschichte geforscht wurde.
finanzierung »Bis heute gibt es keine Erinnerung an dieses Kapitel jüdischer Sportgeschichte unter dem NS-System in Leipzig«, sagt Initiator Henry Lewkowitz. Das Erich-Zeigner-Haus, dessen geschäftsführender zweiter Vorsitzender Lewkowitz ist, will auf lokaler Ebene an jüdisches Leben und an Widerstand gegen das NS-System erinnern.
Für die Finanzierung der Gedenkplakette konnte die Immobilienfirma Unitas gewonnen werden, der das Haus gehört, an dem die Stele steht. Der Vorstand von Unitas sei »regelrecht begeistert« gewesen, berichtete Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus. Auch das Familienportal »Tüpfelhausen« steuerte Geld für die Aluminiumplatte bei, wie die »Leipziger Volkszeitung« berichtet. ja