Sport

»Balsam für die Seele«

Thomas Hitzlsperger wollte eigentlich kommen. Doch kurz bevor das Bekenntnis des früheren Fußball-Nationalspielers zur Homosexualität öffentlich wurde, war dem 31-Jährigen bewusst geworden, dass die Medien ihn in diesen Tagen wohl vereinnahmen würden.

Die Versammlung zum zehnjährigen Bestehen der Initiative »Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball« an diesem Wochenende in Frankfurt ist dennoch prominent besetzt. Und sie verbindet Generationen. Denn neben Zeitzeugen, die die Gräueltaten des Nationalsozialismus hautnah erlebten, sowie Wissenschaftlern und Experten, die sich mit Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung auseinandersetzen, fanden auch Sportler, Funktionäre und Fußballfans den Weg an den Main.

»Wir müssen darüber reden, was es für Unrecht gegeben hat, um es nie zu vergessen«, betonte bei der Auftaktveranstaltung in der Frankfurter WM-Arena Schirmherr Willi Lemke. Der Sonderbotschafter für Sport hatte sich von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon extra freigeben lassen.

Botschaft Vor einem Jahrzehnt hatten Fußballfans die Botschaft aufgegriffen, die Überlebende des Konzentrationslagers auf einem Gedenkstein in Dachau hinterließen, und in der dortigen Versöhnungskirche die Initiative gegründet. »Die Zeit war damals reif dafür, ein Thema anzugehen, das im Fußball eigentlich niemand haben wollte«, erzählte »Nie wieder«-Sprecher Eberhard Schulz.

»Und wenn eine Idee stimmt, dann ist sie ansteckend.« So engagieren sich seitdem nicht nur Fans, Vereine und Einzelpersonen gegen Diskriminierung im Stadion. Auch die Gedenkkultur wird gepflegt, »junge Menschen fahren von sich aus nach Auschwitz«. Die Berichte von Zeitzeugen bereichern dieses Engagement wesentlich, lassen unvorstellbare Bilder lebendig werden. »Ich muss was tun mit dem, was ich erlebt habe«, erklärte Ernst Grube. Der heute 81-Jährige, der einst beim TSV 1860 München Fußball spielte und 1945 nach Theresienstadt deportiert wurde, erzählt seit mehr als 20 Jahren Jugendlichen von seinen Erlebnissen während des Nationalsozialismus.

Podium Ebenso wie Esther Bejarano. Die heute 89-Jährige verdankt ihr Überleben in Auschwitz der Tatsache, dass sie ins dortige Mädchenorchester aufgenommen wurde. »Schon in meiner Kindheit war die Musik alles für mich«, erzählte die rüstige Dame, die nicht nur als Gesprächspartnerin das Podium betrat. Gemeinsam mit ihrem eigenen Sohn und zwei Rappern, der Microphone Mafia, brachte sie singend Neuarrangements von Liedern aus dem jüdischen Widerstand dar. »Den gab es nämlich, auch wenn das keiner weiß«, betonte sie.

Der historische Hiphop-Mix verlieh dem Abend, an dem auch der aus Ghana stammende frühere Fußball-Nationalspieler Gerald Asamoah über sein Leben und die Schweizer Journalistin Katharina Kerr vom Überleben ihres jüdischen Vaters berichteten, eine ganz besondere Note. Das machte den etwa 250 Teilnehmern der Tagung Lust auf mehr. »So eine Initiative ist Balsam für die Seele«, fasste Robby Rajber, der 1. Vizepräsident von Makkabi Deutschland, zusammen, was viele dachten.

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Gastro

Wie bei Muttern

Das Flair der 1920er-Jahre trifft auf die Moderne. In Clärchens Ballhaus hat das Restaurant Luna DʼOro eröffnet. Es gibt Tatar-Igel, Spreewald-Gurken und Broiler

von Alicia Rust  24.11.2024

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 24.11.2024 Aktualisiert

Porträt der Woche

Familie als Sujet

Elinor Sahm ist Israelin, Künstlerin, Mutter und lebt jetzt in Berlin

von Alicia Rust  23.11.2024

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024