Brandenburgs acht jüdische Gemeinden gehören zu den kleinsten und jüngsten im Bundesgebiet. Alle gehen auf den Zuzug russischsprachiger Juden nach 1990 zurück. Brandenburg ist heute das einzige Bundesland ohne Synagoge, und ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird, ist fraglich.
Doch während das Potsdamer Synagogenprojekt seit einem halben Jahr »auf Eis« liegt und sich die Landesregierung über mögliche Alternativen bedeckt hält, beschäftigen neue Konflikte die Öffentlichkeit. Akteure und Interessenlagen werden dabei immer unübersichtlicher. Nachvollziehbar erschien zunächst noch, dass die Jüdische Gemeinde Potsdam e.V. Ende September aus dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Brandenburg austrat.
Ausgegrenzt »Wir haben das Gefühl, dass der Landesverband uns Schaden zufügt«, kommentierte Gemeindesprecherin Renée Röske nüchtern. Die späte Kritik des Verbandes am Haberland-Synagogenentwurf sei aber nicht der einzige Grund für diesen Schritt gewesen. Ihre Unzufriedenheit mit dem Landesverband quittierte indes auch die Jüdische Gemeinde der Stadt Brandenburg per Austritt. »Seit 15 Jahren versteht dort niemand, wie man den Juden wirklich helfen kann«, resümierte deren Vorsitzender Feliks Byelyenkow enttäuscht.
Der Landesverband, von jüdischen Immigranten aus der früheren Sowjetunion geführt, reagierte heftig. So präsentierte man im Oktober eine Friedhofssatzung, nach der für verstorbene Juden ohne Anbindung an den Landesverband nun Grabkosten in Höhe von 3.000 Euro anfallen, für Mitglieder des Verbandes dagegen nur 1.500 Euro.
Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. »Moralisch fragwürdig« nennt das der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Potsdam, Nikolaj Epchteine. Sowohl an das Brandenburgische Kultusministerium als auch an die Stadt Potsdam sind Gesuche ergangen, die Angemessenheit der Begräbniskosten mit Blick auf den öffentlichen Auftrag von Bestattungsunternehmen zu prüfen.
Boykott Doch selbst das Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde von den aktuellen Streitigkeiten überschattet. Die Synagogengemeinde Potsdam und ihr Vorsitzender Ud Joffe blieben der zentralen Gedenkveranstaltung am Ort der zerstörten Synagoge fern. Den Koordinator der Veranstaltung und Vorsitzenden der lokalen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Hans-Jürgen Eggert, attackierte Joffe am gleichen Tag mit einem Offenen Brief, in dem er ihm unter anderem Strategien der »Ausgrenzung« und eine »Kultur des Wegsehens« vorwarf.
Währenddessen hat Architekt Jost Haberland auf Bitten der Jüdischen Gemeinde Potsdam Änderungen an seinem Synagogen-Entwurf im Modell skizziert – unter anderem einen deutlich vergrößerten Gebetsraum und weitaus größere Fenster in den Fassaden. So, wie es Ud Joffe und Rabbiner Nachum Presman unter anderem auch gefordert hatten. Beide hatten erst im Sommer 2010 die »Synagogengemeinde Potsdam« gegründet und dem geplanten Gotteshaus einen »mangelnden sakralen Charakter« unterstellt.
Joffes Gemeinde und die angestammte Jüdische Gemeinde Potsdam – mit 380 Mitgliedern die größte in der Region – treten noch ergebnislos auf der Stelle. Die »Gesetzestreue Landesgemeinde« um Shimon Nebrat diskutiert das Haberland-Projekt nicht mit und versuchte auf gerichtlichem Wege, den Anspruch auf eine eigene Synagoge durchzusetzen. Für Ende des Monats ist nun ein erneutes Gespräch zwischen der Jüdischen Gemeinde und der Synagogengemeinde unter Vermittlung des Brandenburgischen Kultusministeriums vorgesehen.