Brandenburg

Austritte und Hängepartien

Mittelpunkt Potsdam: Die Gemeinden in Brandenburg kommen nicht zur Ruhe. Foto: Marco Limberg

Brandenburgs acht jüdische Gemeinden gehören zu den kleinsten und jüngsten im Bundesgebiet. Alle gehen auf den Zuzug russischsprachiger Juden nach 1990 zurück. Brandenburg ist heute das einzige Bundesland ohne Synagoge, und ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird, ist fraglich.

Doch während das Potsdamer Synagogenprojekt seit einem halben Jahr »auf Eis« liegt und sich die Landesregierung über mögliche Alternativen bedeckt hält, beschäftigen neue Konflikte die Öffentlichkeit. Akteure und Interessenlagen werden dabei immer unübersichtlicher. Nachvollziehbar erschien zunächst noch, dass die Jüdische Gemeinde Potsdam e.V. Ende September aus dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Brandenburg austrat.

Ausgegrenzt »Wir haben das Gefühl, dass der Landesverband uns Schaden zufügt«, kommentierte Gemeindesprecherin Renée Röske nüchtern. Die späte Kritik des Verbandes am Haberland-Synagogenentwurf sei aber nicht der einzige Grund für diesen Schritt gewesen. Ihre Unzufriedenheit mit dem Landesverband quittierte indes auch die Jüdische Gemeinde der Stadt Brandenburg per Austritt. »Seit 15 Jahren versteht dort niemand, wie man den Juden wirklich helfen kann«, resümierte deren Vorsitzender Feliks Byelyenkow enttäuscht.

Der Landesverband, von jüdischen Immigranten aus der früheren Sowjetunion geführt, reagierte heftig. So präsentierte man im Oktober eine Friedhofssatzung, nach der für verstorbene Juden ohne Anbindung an den Landesverband nun Grabkosten in Höhe von 3.000 Euro anfallen, für Mitglieder des Verbandes dagegen nur 1.500 Euro.

Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. »Moralisch fragwürdig« nennt das der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Potsdam, Nikolaj Epchteine. Sowohl an das Brandenburgische Kultusministerium als auch an die Stadt Potsdam sind Gesuche ergangen, die Angemessenheit der Begräbniskosten mit Blick auf den öffentlichen Auftrag von Bestattungsunternehmen zu prüfen.

Boykott Doch selbst das Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde von den aktuellen Streitigkeiten überschattet. Die Synagogengemeinde Potsdam und ihr Vorsitzender Ud Joffe blieben der zentralen Gedenkveranstaltung am Ort der zerstörten Synagoge fern. Den Koordinator der Veranstaltung und Vorsitzenden der lokalen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Hans-Jürgen Eggert, attackierte Joffe am gleichen Tag mit einem Offenen Brief, in dem er ihm unter anderem Strategien der »Ausgrenzung« und eine »Kultur des Wegsehens« vorwarf.

Währenddessen hat Architekt Jost Haberland auf Bitten der Jüdischen Gemeinde Potsdam Änderungen an seinem Synagogen-Entwurf im Modell skizziert – unter anderem einen deutlich vergrößerten Gebetsraum und weitaus größere Fenster in den Fassaden. So, wie es Ud Joffe und Rabbiner Nachum Presman unter anderem auch gefordert hatten. Beide hatten erst im Sommer 2010 die »Synagogengemeinde Potsdam« gegründet und dem geplanten Gotteshaus einen »mangelnden sakralen Charakter« unterstellt.

Joffes Gemeinde und die angestammte Jüdische Gemeinde Potsdam – mit 380 Mitgliedern die größte in der Region – treten noch ergebnislos auf der Stelle. Die »Gesetzestreue Landesgemeinde« um Shimon Nebrat diskutiert das Haberland-Projekt nicht mit und versuchte auf gerichtlichem Wege, den Anspruch auf eine eigene Synagoge durchzusetzen. Für Ende des Monats ist nun ein erneutes Gespräch zwischen der Jüdischen Gemeinde und der Synagogengemeinde unter Vermittlung des Brandenburgischen Kultusministeriums vorgesehen.

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025