Bei Betreten der hell erleuchteten Neubaukirche liegt Festlichkeit in der Luft an diesem nasskalten Dienstagabend in Würzburg. Zudem aber auch eine professionelle Anspannung, wenn man die ausgiebigen Sicherheitsvorkehrungen als Teil der Atmosphäre zulässt. Im Schatten des gewaltigen Deckengewölbes hatten zahlreiche Gäste Platz genommen: Menschen aus der Wissenschaft, Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften und Bürgerinnen und Bürger, die gekommen waren, um einen Mann zu ehren, der das Miteinander der Kulturen in Deutschland seit Jahren maßgeblich geprägt hat – Josef Schuster.
Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die katholisch-theologische Fakultät der Universität Würzburg ehrte die Institution nun den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, für seine außergewöhnlichen Beiträge zum jüdisch-christlichen Dialog und zur Förderung des interreligiösen Verständnisses zwischen Juden, Christen und Muslimen.
Schusters Lebensgeschichte prägte seine Arbeit
Josef Schuster, 1954 in Haifa geboren, bringt eine einzigartige Lebensgeschichte mit, die seine Arbeit nachhaltig geprägt hat. Seine Eltern, aus Unterfranken vor der Verfolgung durch das NS-Regime geflohen, kehrten 1956 mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Dieses Erbe der Vertreibung und Heimkehr prägte Schusters spätere Bemühungen, das jüdische Leben in Deutschland zu stärken und die Vergangenheit als eine Grundlage für Verständigung und Aussöhnung zu nutzen.
In ihrer Laudatio hob Professorin Barbara Schmitz, die Inhaberin des Lehrstuhls für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen an der Universität, die außergewöhnliche Lebensleistung des Geehrten hervor. Anhand von vier alttestamentarischen Miniaturen bebilderte Frau Schmitz für das Publikum komplex und eindrücklich, wie Schuster als Mediziner und später als Präsident des Zentralrats nicht nur die jüdische Gemeinschaft unterstützt, sondern auch eine Brücke zwischen den verschiedenen religiösen und kulturellen Gruppen geschlagen hat. Die Miniaturen stehen dabei für den roten Faden im Wirken, der Nächstenliebe, dem Vermitteln ohne zu Dozieren und der Reflexion.
Besonderes Augenmerk legte die Laudatio darauf, dass Schuster stets Verantwortung übernommen und bewiesen habe, wie wichtig kontinuierliches Engagement sei, um Diskriminierung zu bekämpfen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Ein besonderer Dank ging an die Familie.
Josef Schuster widmet den Beginn seiner Dankesrede einem Zitat aus der Süddeutschen Zeitung, die ihn bei der Ernennung zum Ehrenbürger Würzburgs als »Nesthocker« betitelte – in positivem Kontext wohlgemerkt. Er fürchte die neuerliche Ehrendoktorwürde könnte eine neue «Eskalation der Nesthockerei« für ihn bedeuten. Ein humorvoller Einstieg, den ihn sein Publikum mit Leichtigkeit und Lockerheit dankt. Sichtlich bewegt bedankte sich Schuster im Anschluss bei seiner Familie, seiner Frau und seinen verstorbenen Eltern, die sich eine solche Ehrung in einer Kirche und von einer christlichen Fakultät »wohl nicht haben kommen sehen«.
Auch hier folgt ehrliche Heiterkeit, da die interreligiöse Ehrung den Kern und die vermeintliche Unmöglichkeit seiner Bemühungen ausmacht. Herr Schuster wird in diesem Zusammenhang nicht müde, zu erwähnen, dass ihm genau dieser Dialog zwischen den Religionen immer eine Herzensangelegenheit war. Die Stadt Würzburg, seine Alma Mater und der Ort, an dem er als Internist über 30 Jahre lang tätig war, sei für ihn ein zentraler Punkt seines Lebens geblieben.
Ein hoffnungsvoller Ausblick
Zum Ende seiner Rede nimmt Schuster, wie auch seine Vorredenden, Bezug auf die aktuellen Entwicklungen in Israel seit dem 7. Oktober 2023 und dem verheerenden Ausmaß menschlichen Leids, politischen Spannungen und nicht zuletzt einem spürbar gestiegenen Antisemitismus in den unterschiedlichen politischen Lagern in Deutschland. Mit Blick auf die anstehenden Neuwahlen, erhofft sich Schuster eine breite Einigung darauf, dass die demokratischen Parteien mehr über die Sache reden als gegen den politischen Konkurrenten. Weniger Miteinander und mehr Gegeneinander schade am Ende nur der Demokratie.
Josef Schuster stellt, trotz der aktuell düsteren Lage, einen hoffnungsvollen Ausblick an das Ende seiner Rede. Er verweist auf das zweite vatikanische Konzil, dass zu seiner Zeit 1962 bis 1965, und in seinem Ergebnis noch wenige Jahre zuvor völlig ausgeschlossen schien. Es bedeutete damals nichts weniger als eine Kehrtwende in der innerchristlichen Bewertung der Beziehung zum Judentum und der eigenen Verantwortlichkeit zur Zeit der NS-Diktatur.
Wenn man Herrn Schuster an diesem Abend zugehört hat, dann bleibt vor allem eines, und zwar dass immer ein Wandel zum positiven möglich ist und, dass dieser Wandel stets eine unabdingbare Voraussetzung hat: »Dialog, Dialog und nochmals Dialog«. Ein mögliches Zitat, dem er auf Nachfrage nicht widersprechen würde.