Eigentlich ist der Sommer für den Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb Baden-Württemberg reserviert. Zwei Jahre lang konnte die musikalische Talentschau jedoch wegen der Corona-Pandemie beinahe nur im Verborgenen, sprich: digital, stattfinden. Folglich gab es auch keine öffentlichen Preisträgerkonzerte. Mit der Aufhebung der Corona-Maßnahmen wurde es nun wieder möglich.
Der Auftritt im Mozartsaal des Stuttgarter Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle ist allein den Besten vorbehalten. Und zu denen gehört David Chen. Wenn er spielt, durchzieht eine zarte Melodie den Saal. Der linken Hand folgt die rechte, schwebend fast, dann wieder tänzerisch dominierend, fügen sich die Harmonien, die der junge Pianist dem Flügel entlockt.
zugabe Die Komposition mit dem Titel »Melodie« ist eine Zugabe für das beeindruckte und begeisterte Publikum. Gerade noch hat der 13-Jährige mit dem ersten Satz des Klavierkonzertes Nr. 1, D-Dur Op.15 von Ludwig van Beethoven brilliert. »Melodie« wurde von Vladimir Sverdlov-Ashkenazy, Davids Vater, geschrieben. Der russische Pianist und Komponist begleitet seinen Sohn. Mit Spannung folgt er Davids Musikvortrag.
»Davids Vater und ich meinen, dass der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb eine besondere Rolle in seiner musikalischen Entwicklung gespielt hat«, sagt Margarita Volkova-Mendzelevskaya. Die Pianistin ist sowohl die Initiatorin des Wettbewerbs wie auch die Gründerin des Kammerorchesters »Nigun«.
Zweimal bewarb sich David Chen beim Wettbewerb, beide Male errang er einen Ersten Preis mit Auszeichnung. »Ich will berühmt werden, berühmt als Pianist«, sagte er schon 2018. »Er ist einfach genial, ich erwarte von ihm eine große musikalische Weltkarriere«, sagt Volkova.
applaus Fast scheu nimmt der junge Pianist in Sportschuhen den Applaus des Publikums im Mozartsaal entgegen. Auch Robert Wieland, der diesmal das Kammerorchester Nigun führt, ist sichtlich beeindruckt vom jüngsten Solisten des Abends.
Ein Konzert mit den Preisträgern vergangener Jahre in immer noch pandemischen Zeiten vorzubereiten, erfordert Leidenschaft und bedingungslosen Einsatz für die Musik.
Ein Konzert mit den Preisträgern vergangener Jahre in immer noch pandemischen Zeiten vorzubereiten, dazu innerlich aufgewühlt wegen des Krieges in der Ukraine, erfordert Leidenschaft und bedingungslosen Einsatz für die Musik. Margarita Volkova-Mendzelevskaya hat beides. Und deshalb freut sie sich besonders, dass »erstmals das Kulturamt der Stadt Stuttgart das Konzert gefördert hat«.
Ein so hochkarätiges Konzert lasse sich nicht ohne Sponsoren veranstalten, so die gebürtige Moskauerin. Dass nun neben jüdischen Einrichtungen wie der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), des Stuttgarter Lehrhauses, des Zentralrats der Juden und weiteren Sponsoren endlich auch die Stadt Stuttgart mit im Boot sitzt, freut Volkova sichtlich. Zwar firmiert das Kammerorchester Nigun als jüdisches Musikensemble, doch der Zugang ist offen für alle – ein sichtbares Zeichen der Toleranz, die Musiker weltweit verbindet.
grussadresse »Nigun«, erklärt Barbara Traub in ihrer Grußadresse, sei ein »einzigartiges Orchester« in Stuttgart und über seine Stadtgrenzen hinaus bekannt. In ihm musizierten Menschen mit Wurzeln in Deutschland, Russland und der Ukraine, so die Vorstandssprecherin der IRGW. Und so bat Traub Musiker wie Publikum, der Opfer des Krieges in der Ukraine zu gedenken und den vielen Helfern zu danken, die sich – auch in der IRGW – um Flüchtlinge kümmern.
Dass aus Trümmern Neues wachsen kann und muss, zeigten die Musiker mit einer Uraufführung des israelischen Komponisten Eugene Levitas (geboren 1972). Levitas inszeniert seine Musik auch durch Zitate aus Opern von Mozart, indem er einen Sopran (Elizaveta Volkova) und Percussionisten (Gabriel Wieland) einsetzt. Das Publikum reagierte mit »Bravo«-Rufen.
Maya Joffe (Violine) und Michael Leontchik (Zymbal) gehören ebenfalls zu den jungen Künstlern, bei denen der Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb zur Bühnenreife beigetragen hat. Unter Robert Wieland präsentierten sie gemeinsam mit dem Kammerorchester Nigun anspruchsvolle Werke von Camille-Saint-Saens und Franz Liszt.
Dass die Förderung junger Talente keinen Zeitaufschub verträgt, zeigt der Vergleich zwischen den Fotos im Programmheft und in der Realität: dort noch Kinder, heute schon Stars.