Berlin

Aus für Ku’damm-Bühnen

Seine Eltern mussten während der Nazizeit den gelben Stern tragen und durften nicht ins Theater gehen. Jahrzehnte später erwirbt der Immobilienunternehmer Rafael Roth aus Israel für 30 Millionen Euro das Ku’damm-Karree, in dem sich das Theater und die Komödie am Ku’damm befinden – Einrichtungen, zu denen seinen Eltern einst der Zugang verwehrt war. »Das hat ihn gefreut«, sagt Jürgen Wölffer, der ehemalige Intendant des Theaters.

Allerdings führte diese Freude nicht dazu, dass Rafi Roth sich beim Berliner Senat den Bestandschutz sicherte. Spätere Investoren hatten somit freie Hand, berichtet Wölffer. Für knapp 200 Millionen Euro verkaufte Rafi Roth, der vor fünf Jahren starb, im Jahr 2002 die Immobilie. Seitdem wechselte das Ku’damm-Karree mehrmals den Besitzer. Derzeit soll es dem russischen Unternehmer Mikhail Opengeym und der Münchener Firma Cells Bauwelt gehören.

abriss Für die beiden Theater fällt jetzt der letzte Vorhang: Beide Bühnen werden abgerissen. An diesem Wochenende ist Open House, dann ist Schluss. Die Theaterhäuser, die der ungarisch-jüdische Architekt Oskar Kaufmann gebaut hat, sind dann unwiederbringlich verloren. Der Theaterbetrieb wird in den nächsten Jahren ein Ausweichquartier im Schiller-Theater finden – so lange, bis in ein paar Jahren ein Neubau im Keller des Karrees entsteht.

Der Abriss der beiden Ku’damm-Bühnen ist Grund genug für die Veranstaltung »Denk mal am Ort«, bei der Jüdinnen und Juden an ihrem ehemaligen Lebens- und Wohnort im Mittelpunkt stehen, die Geschichte des Hauses aufzugreifen: Das Theater am Kurfürstendamm wurde 1921 nach einem Umbau durch Oskar Kaufmann wiedereingeweiht. Die zweite Spielstätte, die Komödie, war 1924 fertiggestellt.

habimah Oskar Kaufmann war Anfang des 20. Jahrhunderts ein gefragter Architekt. Neben der Komödie am Kurfürstendamm entwarf und erbaute er allein in Berlin mehrere Theater, darunter das Hebbel-Theater (1908) und die Volksbühne (1913/14). 1926 erhielt er den Auftrag, das Renaissance-Theater umzugestalten, berichtet Kathrin Fuld, Architektin und Lehrbeauftragte an der Beuth-Hochschule, den Besuchern von »Denk mal am Ort«.

Geboren wurde Kaufmann 1873 in Ungarn. Da er sich als Pianist sein Studium in Karlsruhe finanzierte, kam er bald in Kontakt mit Persönlichkeiten aus dem Kreis der Oper. In Berlin hatte er ein großes Architekturbüro mit vielen Mitarbeitern – bis er 1933 nach der Machtergreifung durch die Nazis fast alles verlor.

Doch Kaufmann hatte Glück. Er wurde gefragt, ob er die Habimah in Tel Aviv, das israelische Nationaltheater, bauen wolle. Und so zogen er, seine Frau und sein Mitarbeiter nach Palästina in eine Zwei-Zimmer-Wohnung, die der Architekt tagsüber in ein Büro verwandelte.

Aber Kaufmann fühlte sich in Palästina nicht wohl. Die Auswanderung nach England misslang jedoch. Und so entschloss er sich, nach Europa zurückzukehren – erst nach Rumänien, dann nach Ungarn. Seine Frau wurde psychisch krank und starb 1942, er selbst entging den 1944 einsetzenden Deportationen. In seinen letzten Lebensjahren realisierte er den Umbau der ungarischen Staatsoper. 1956 starb er im Alter von 79 Jahren in Budapest.

max reinhardt Neben dem Architekten gab es einen weiteren berühmten Gestalter der Bühnen am Kurfürstendamm, dessen Wirken mit beiden Häusern verbunden ist, berichtet Bärbel Reißmann vom Stadtmuseum: Regisseur und Theatermacher Max Reinhardt. Die Komödie war für Reinhardt eine Herzensangelegenheit – er war der Meinung, die Zuschauer sollten nicht immer nur mit dem Elend konfrontiert werden, sondern auch einmal »etwas zum Amüsieren« haben.

Auch er musste emigrieren. Doch in den USA konnte er an frühere Erfolge seiner Produktionen nicht mehr anknüpfen. Reinhardt starb verarmt in New York, erzählt Bärbel Reißmann. Sie hofft nun, dass einiges vom Inventar des Theaters ins Stadtmuseum umziehen wird.

Rafael Roth, sagt Jürgen Wölffer, soll den Verkauf des Hauses später bereut haben. Kurz vor seinem 80. Geburtstag, den er in der Komödie feiern wollte, habe er die die Theaterhäuser zurückerwerben wollen. »Das kann aber auch nur ein Gerücht sein«, meint Wölffer, dessen Sohn Martin heute Intendant ist.

Am 26. Mai wird Abschied gefeiert. Eintritt ist frei, die letzte Vorstellung am Sonntag ist bereits ausverkauft.

www.komoedie-berlin.de

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025

München

Gelebte Verbundenheit

Jugendliche engagieren sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in den Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde

von Esther Martel  09.11.2025

Sport

»Die Welt spielt gerade verrückt«

Alon Meyer über seine Wiederwahl zum Makkabi-Präsidenten in ganz besonderen Zeiten, den enormen Mitgliederzuwachs und die Zukunft des jüdischen Sportvereins

von Helmut Kuhn  09.11.2025

Erlangen

Bald ein eigenes Zuhause

Nach jahrzehntelanger Suche erhält die Jüdische Kultusgemeinde ein Grundstück für den Bau einer Synagoge

von Christine Schmitt  09.11.2025