Bei der ersten Rabbiner-Ordination in Norddeutschland sind am Donnerstag in Hannover zwei Rabbiner und ein Kantor in ihre Ämter eingesetzt worden. »Die jüdischen Gemeinden stabilisieren sich, aber das erfordert viel Einsatz«, sagte der Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam, Walter Homolka, am Rande der Feier in der Synagoge Etz Chaim der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Der weitere Aufbau des jüdischen Lebens in Deutschlands könne Jahrzehnte dauern: »Das ist ein zartes Pflänzchen.«
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte bei der Feier, dass heute in Hannover wieder Rabbiner ordiniert würden, sei nach dem Holocaust kaum denkbar gewesen. 1945 hätten in der Stadt nur noch »zwei Handvoll« jüdischer Bürger gelebt. »Die Realität hat die kühnsten Erwartungen übertroffen.« Die Landesregierung fühle sich zutiefst verpflichtet, den Aufbau jüdischer Gemeinden im Land zu unterstützen.
Polizeischutz Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich erfreut, dass aus Deutschland Rabbiner und Kantoren nach ganz Europa entsandt würden und vom jüdischen Leben in Deutschland zeugten. Es bedrücke ihn aber, dass Synagogen weiterhin von der Polizei geschützt werden müssten: »Solange das Tragen der Kippa in Deutschland noch ein Risiko ist, solange sind wir noch im Prozess unserer nicht gemachten Hausaufgaben.« Ramelow gehört zum Stiftungsrat der Leo-Baeck-Stiftung, die auch das Abraham Geiger Kolleg unterstützt.
Neu ordiniert wurden der in Ungarn geborene Ariel Pollak (27), der Rabbiner in Budapest wird, und der aus der Schweiz stammende Lior Bar-Ami (30), der seinen Dienst in Wien und im französischen Toulouse antritt. In Frankreich sei die Lage für die jüdischen Gemeinden nach den Attentaten unter anderem auf jüdische Einrichtungen weitaus angespannter als in Deutschland, berichtete Bar-Ami. Dort würden die Synagogen nicht durch die Polizei bewacht, sondern vom Militär. Dennoch sähen die meisten dort lebenden Juden weiterhin ihre Zukunft in dem Land.
Ausbildung Der in Israel geborene Kantor Assaf Levitin (44) wird künftig in der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover tätig sein. Er erhielt bei der Feier seine Investitur. Levitin und die beiden Rabbiner absolvierten jeweils eine fünf- bis sechsjährige Ausbildung in Potsdam. Die hannoversche Gemeinde Etz Chaim ist mit rund 700 Mitgliedern die größte der 24 in der Union progressiver Juden organisierten liberalen Gemeinden. Der Allgemeinen Rabbinerkonferenz gehören 30 liberale und konservative, nichtorthodoxe Rabbiner und Rabbinerinnen an.
Zu der Feier kamen unter anderem mehr als 40 Rabbinerinnen und Rabbiner aus dem In- und Ausland sowie Vertreter aus Kirchen und islamischen Gemeinden. Die ersten Absolventen des 1999 gegründeten Abraham Geiger Kollegs wurden 2006 in Dresden eingeführt. epd