»Einen neuen Aufbruch wagen« – das ist das Motto des Katholikentages in diesem Jahr, der an diesem Mittwoch in Mannheim beginnt und bei dem bis Sonntag Zehntausende Gläubige erwartet werden. Seit nun schon vier Jahrzehnten engagiert sich der Katholikentag im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils »für gegenseitige Wertschätzung und Versöhnung zwischen Christen und Juden«. Der christlich-jüdische Dialog bildet dabei auch in diesem Jahr wieder einen eigenen Themenschwerpunkt. Zahlreiche jüdische Referenten sind eingeladen, um im »Lehrhaus des Judentums« ihren eigenen Blick auf diesen Dialog zu werfen. Warum und mit welchen Gefühlen sie nach Mannheim fahren und sich an der interreligiösen Auseinandersetzung beteiligen, beschreiben sie hier:
»Brücken bauen«
Warum ich in diesem Jahr zum ersten Mal den Katholikentag besuchen werde? Ganz einfach: Weil man mich eingeladen hat! Spaß beiseite, ich fahre nach Mannheim, um Aufklärungsarbeit in Sachen Judentum zu leisten. Ist die hebräische Bibel identisch mit dem Alten Testament? Wie hat sich die jüdische Tradition über die Jahrtausende entwickelt? Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang eigentlich die mündliche Tora? Das sind die Themen meiner »Einführung in den Talmud«, die ich geben werde, um dem christlich-jüdischen Dialog neue Impulse zu verleihen. Wichtig dabei ist mir, Kontakt zu den anderen Religionen herzustellen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Nur so kann es gelingen, Brücken zu bauen. Meine Erfahrung lehrt, dass Vorurteile leichtes Spiel haben, wenn man einander nicht kennt.
(Shaul Friberg, Rabbiner an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg)
»Ängste abbauen«
Ich habe bisher keinerlei Erfahrung mit Katholikentagen, meine Teilnahme dieses Jahr ist ein Novum. Schon jetzt bin ich gespannt, wie es sein wird. Ich jedenfalls bin offen für Gespräche in gegenseitigem Respekt. Generell halte ich die Teilnahme an Veranstaltungen wie dem Katholikentag für wichtig, weil der Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften das Wissen erweitert, Ängste abbaut und Verständnis für den anderen schafft, ohne dass man die eigene Identität aufgeben muss. Die Begegnung von Religionsgemeinschaften kann zudem Gemeinsamkeiten aufzeigen, lehren, Grenzen zu akzeptieren und dazu beitragen, dass die Anstrengung den Weltfrieden zu erhalten, ein gemeinsames Anliegen ist, das uns alle herausfordert. Christentum und Judentum befinden sich, bildlich gesprochen, auf verschiedenen Straßenseiten, haben aber dasselbe Ziel.
(Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg)
»Fort- und Rückschritte«
Ich fahre in diesem Jahr gerne zum Katholikentag. Ich freue mich, dass wir erstmalig auch mit orthodoxen Rabbinern aktiv an der Gemeinschaftsfeier teilnehmen. Hierfür haben sich die Organisatoren sehr eingesetzt, um etwaige religiöse Barrieren zu vermeiden. Generell ist die katholische Kirche uns Juden in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder entgegengekommen. Sie hat sich kritischer als in der Vergangenheit mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt. Andererseits erfolgten diese Fortschritte oft auch gegen heftigen Widerstand aus den eigenen Reihen. Deswegen sollte man ein wachsames Auge darauf haben, wenn es Rückschritte gibt im christlich-jüdischen Dialog. Man denke nur an die Karfreitagsfürbitte oder an die mögliche Seligsprechung von Papst Pius XII. Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass wir den Katholikentag unterstützen sollten. Zum einen assistieren wir damit jenen redlichen Katholiken, die uns wahrhaft wohlgesinnt sind, und zum anderen haben wir dort die Möglichkeit, uns selbst darzustellen und nicht irgendwelche Vorurteile bestehen zu lassen. Wir können den Antisemitismus wohl nicht besiegen, aber das gemeinsame Gespräch ist zumindest eine mächtige Waffe gegen ihn.
(Rabbiner Julian-Chaim Soussan)
»Gemeinsames Lernen«
In Sachen Katholikentag bin ich mittlerweile ein alter Hase, seit nun schon über 30 Jahren nehme ich regelmäßig teil. Die Atmosphäre ist immer ganz außerordentlich. Es herrscht eine Stimmung der Offenheit sowie der Bereitschaft, zu lernen und mit dem anderen in Austausch zu treten. Im Grunde ist die Veranstaltung ein gigantisches interkonfessionelles Limmud, den es so meiner Ansicht nach in der jüdischen Welt in Deutschland nicht gibt. Denn beim Katholikentag kommen Christen, Juden und Muslime zusammen, die ganz viel eint, die trotzdem oftmals eher unterschiedliche Positionen vertreten und im Trialog miteinander umzugehen lernen. Und dass es immer gut ist, wenn wir Juden auf Menschen treffen, die uns als Partner und nicht als potenzielles Feindbild betrachten, versteht sich von selbst – erst recht, weil die katholische Kirche zurzeit in einer erheblichen Identitäts- und Autoritätskrise steckt.
(Günther B. Ginzel, Publizist, Köln)
»Verständnis«
Die Teilnahme am Katholikentag liegt mir gleich aus mehreren Gründen am Herzen: Gespräche schaffen Vertrauen und beugen falschen Informationen vor, die nicht selten zu einem verzerrten Bild des anderen führen. Der christlich-jüdische Dialog baut auch Kenntnis und Verständnis für die religiöse Lebenswelt des Andersgläubigen auf. Das ist insbesondere in unserer heutigen multikulturellen Gesellschaft, die wir als Bereicherung sehen, ein wichtiger Baustein für den interreligiösen Dialog. Der Katholikentag hat in diesem Zusammenhang besondere Effekte, da er ein großes Publikum erreicht und gemeinsame positive Erlebnisse schafft – eine Chance, die dem Judentum bis vor wenigen Jahrzehnten in Europa undenkbar war!
(Jaron Engelmayer, Rabbiner der Synagogen-Gemeinde Köln)
»Dialog in Maßen«
Ich sehe mich dazu verpflichtet, das jüdische Leben auch nach außen hin zu präsentieren und mit den beiden christlichen Kirchen im Gespräch zu bleiben. Es ist nach Jahrhunderten des Antijudaismus schon etwas Besonderes, dass das Christentum in Deutschland aktiv den Austausch mit dem Judentum sucht. Eine ausgestreckte Hand, so denke ich, sollte man nie zurückweisen. Darüber hinaus muss ich gestehen, dass ich durch die Auseinandersetzung mit christlichen Aspekten viel gelernt habe. Indem mir der christlich-jüdische Dialog ein Thema stellte, habe ich mir schon so manchen jüdischen Raum erschlossen, der sich mir rein innerjüdisch so wahrscheinlich nicht aufgetan hätte. Allerdings nehme ich am christlich-jüdischen Dialog bewusst nur in Maßen teil. Der Bedarf der Christen am christlich-jüdischen Dialog und der wegen der Schoa zahlenmäßige Mangel an jüdischen Gesprächspartnern ist nämlich so hoch, dass ich manchmal denke, ich könnte problemlos auch Rabbinerin für Christen sein. Mein Adressat bleiben aber natürlich primär die Juden.
(Elisa Klapheck, Rabbinerin des Egalitären Minjans in Frankfurt)