Am Helene-Habermann-Gymnasium, das vor zwei Jahren in den im Grünen gelegenen Campus der Europäischen Schule im Fasangarten umgezogen ist, beginnt dieser Tage ein besonders spannendes Schuljahr: Im Mai/Juni 2024 wird dort der erste Jahrgang Abitur machen. Sieben junge Erwachsene gehen im Frühsommer hoffentlich mit der Hochschulreife in der Tasche nach Hause. Gleichzeitig will Direktorin Miriam Geldmacher ein Schülerparlament aufbauen – auch das »ein großes Projekt«, jahrgangsübergreifend, für alle Klassenstufen.
Viel zu tun also. »Wir sind«, meint Miriam Geldmacher in ihrem Büro zwei Wochen vor Schulbeginn im Hinblick auf das kommende Abitur, »wahnsinnig aufgeregt und stolz«. Es sei fast so, als machten die eigenen Kinder demnächst ihren Abschluss, lächelt sie. Eine Schwierigkeit immerhin habe man im Vorfeld bereits ausräumen können: Einer der Abitur-Termine war ursprünglich in die Pessach-Woche gefallen, wurde inzwischen aber verlegt.
RAHMEN Das Gymnasium der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, das seit 2021 den Namen der Holocaust-Überlebenden Helene Habermann trägt, ist eine von nur sieben weiterführenden jüdischen Schulen in ganz Deutschland. Insgesamt 110 Schüler lernen hier in einem sehr modernen Rahmen, mithilfe zahlreicher digitaler Medien, fürs Leben. In den letzten beiden Jahrgängen war in den fünften Klassen erstmals kein Platz mehr frei, je 20 Kinder begannen ihre Gymnasiallaufbahn.
»Teamtage« sollen dazu beitragen, dass die Kinder lernen, sich stärker auf ein »Wir« einzustellen.
Auch ukrainische Schüler lernen hier, ursprünglich waren es 25, die zunächst in einer eigenen Klasse zusammengefasst worden waren. Geblieben sind heute zehn, die aber inzwischen ihrem Leistungsstand entsprechend auf verschiedene Klassenstufen verteilt wurden.
Damit die Betreffenden ihren Platz finden konnten, habe es geholfen, so Direktorin Geldmacher, dass das Gymnasium ab der 11. Klasse statt Französisch auch Russisch anbietet, dass einige Kinder ohnehin diese Sprache sprechen, und dass eine Russisch-Lehrerin bei Elternabenden oder Elterngesprächen als Übersetzerin anwesend war.
Im Gespräch mit Miriam Geldmacher spürt man schnell, wie begeistert nicht nur sie, sondern ihre ganze Schulfamilie in den großzügigen Räumlichkeiten im Münchner Südosten ist. Längst haben die Schüler den Schulgarten für sich entdeckt, haben Lieblingsnischen im Foyer gefunden. Nur die Chemie- und Physiksäle der naturwissenschaftlich-technologisch ausgerichteten Schule fehlten zuletzt noch, doch auch das soll sich nach Aussage von Geldmacher bald ändern: »Ich hoffe, den Chemieraum können wir demnächst einweihen.«
An kleineren und größeren Baustellen hat es der Schule seit ihrer Gründung 2016 wahrlich nicht gemangelt. Angefangen von der Umstellung von acht Gymnasialjahren auf neun – auch die sieben Heranwachsenden, die nun das Abitur ablegen, haben das G8 durchlaufen. Kuriose Folge der Umstellung zurück zu G9: 2024/25 wird es für ein Jahr wieder keinen Abschlussjahrgang geben.
Und dann natürlich Corona. Auch am Helene-Habermann-Gymnasium, das damals noch als »Jüdisches Gymnasium« übergangsweise im Gemeindezentrum am Jakobsplatz residierte, fand vor Ort teils überhaupt kein Unterricht statt. Die Schüler wurden ganztags online beschult. Was nach den Worten der Direktorin auch deshalb gut funktioniert habe, weil der Unterricht von vornherein stark digitalisiert gewesen war; jedes Kind verfügte über ein eigenes Tablet. Wechselunterricht wie an anderen Schulen gab es hingegen nicht. »Wir haben damals«, erzählt Geldmacher, »einfach gegenüber im Stadtmuseum, das ohnehin geschlossen war, nach einem zusätzlichen Raum gefragt.« Und diesen bekommen.
NACHWEHEN Gewisse Nachwehen der Pandemie seien trotzdem noch zu spüren. Das Miteinander in den unteren Klassen funktioniere noch nicht so selbstverständlich. Weshalb nun »Teamtage« eingeführt wurden, die dazu beitragen sollen, dass die Kinder lernen, sich stärker auf die Gruppe und auf ein »Wir« einzustellen. Ein anderes Überbleibsel aus der Coronazeit ist dagegen positiv: Der Schulbeginn wurde auf 8.30 Uhr nach hinten verschoben. Vorher bietet die Schule eine halbstündige Gleitzeit. Im Distanzunterricht seien die Schüler so ausgeruhter und aufnahmefähiger gewesen, so Geldmacher. »Und weil es sich bewährt hat, sind wir dabei geblieben.«
Das kommende Schuljahr, das für die angehenden Abiturienten das letzte sein wird, beginnt für sie gleich mit einem Highlight, nämlich einer selbst organisierten Israel-Reise. Zehn Tage vor und während der Herbstferien sind die Beteiligten mit Miriam Geldmacher und ihrer Stellvertreterin Nora Seiler unterwegs. Ein Programmpunkt wird auch der Besuch einer »Hand-in-Hand-Schule« in Jerusalem sein, so Miriam Geldmacher: »Mit der würden wir gern eine Partnerschaft begründen.«