Alexander Mazo und Julius Spokojny sel. A. – zwei Namen, zwei Epochen. Die beiden Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg stehen jeweils für ihre Zeit. Spokojny sel. A. amtierte von 1965 bis 1996, Mazo ist seit 2005 Gemeindevorstand. Sie beide stehen nicht nur für den Pessimismus einer schwindenden Gemeinde, sondern auch für das Überdauern in der kürzlich sanierten großen Synagoge. Doch anlässlich der 25-Jahr-Feier der Torarolleneinbringung und der Eröffnung des ältesten selbständigen jüdischen Museums am 24. Oktober steht die Gemeinde vor gewaltigen Herausforderungen: Der prächtige Synagogenbau, »als Hauptexponat in ein Museum eingebracht, das unseren Mitmenschen die Kultur der jüdischen Religion näherbringen soll«, wie es Spokojny vor 25 Jahre sagte, ja der gesamte Gebäudekomplex muss dringend saniert werden. Die Kosten dafür werden auf fünf Millionen Euro veranschlagt. Noch zieht es durch die alten Fenster und im Winter durchdringt die Kälte das alte Mauerwerk.
Hochzeitszimmer Zehn lange Jahre hatte Julius Spokojny auf die Fertigstellung der Renovierung des Gebetsraumes mit »babylonisch-assyrischem Flair« warten müssen, dann endlich, zum 1. September 1985, konnten wieder Torarollen in die große Synagoge getragen werden. 22 Jahre lang hatte die Gemeinde das ehemalige Hochzeitszimmer der Synagoge für Gottesdienste genutzt. Ein wahrhaft gewagtes Projekt in einer Zeit, in der die Mitglieder älter wurden. Rund 250 Mitglieder zählte die jüdische Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg zu jener Zeit.
Gleich nach der Kapitulation Nazideutschlands kamen jüdische Männer und Frauen aus den Konzentrationslagern, insbesondere aus Theresienstadt, nach Augsburg. Viele von ihnen mit einem polnisch-kulturellen Hintergrund. Einige kehrten aus ihren Verstecken zurück in die Heimat. Und bereits am 3. Juni 1945 gab es die erste Gemeindeversammlung. Für Januar 1946 wird die Zahl jüdischer Bürger in Augsburg mit 236 angegeben. Ende 1947 waren es nach den Archivangaben der Gemeinde 536 mehr. Die Herkunft der Mitglieder prägte die Gemeinde orthodox, wie der heutige Präsident Alexander Mazo es vorsichtig formulierte.
Seit dem Zuzug von Kontingentflüchtlingen Anfang der 90er hat sich die Augsburger Gemeinde von Grund auf geändert. Wurden 1990 noch 199 Mitglieder gezählt, waren es vier Jahre später bereits 1698. Eine schier unlösbare Aufgabe stand der Gemeinde bevor: die Integration neuer Mitglieder, zumeist aus der Ukraine, aber auch aus Russland und allen anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Gemeinde stand vor einer Zerreißprobe. Mehrere Vorstände wurden gewählt, von etlichen trennte man sich sehr schnell wieder. Augsburg, seit jeher eine Einheitsgemeinde, trug diese Spannungen aus. Auch als die Lokalpresse von Tätlichkeiten in der Synagoge und bei Versammlungen berichtete. Erst 2004 kam die Gemeinde mit Rabbiner Henry Brandt in ruhigeres liberales Fahrwasser.
Angebot Zwei Gruppenliegen dem Vorstand laut Mazo besonders am Herzen: Senioren und Jugendliche, die es mit einer Vielzahl von Angeboten zu integrieren gilt. Es gibt Sprachkurse, Computerkurse, Freizeitbeschäftigungen oder auch das vom Rabbiner angebotene Lehrhaus. Ergänzt wird das Angebot durch das Jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben, das seine Räume in der ehemaligen Garderobe vor der Frauenempore der großen Synagoge hat.
Wollte Spokojny noch religiöses Erbe präsentieren, so sind es heute neben einer Dauerausstellung gegen das Vergessen zusätzliche Wechselausstellungen, die die jüdischen Feste begleiten. Mehrmals im Jahr kommen auch die Kinder der Sonntagsschule, die im Ostflügel des Gebäudekomplexes untergebracht ist, ins Museum. Mit dem neuen Namen »Wunderland« kam eine neue Konzeption. Kindergartenkinder können betreut, Schulkinder in verschiedenen Fächern gefördert werden. Nur die Jugendarbeit ist noch nicht in festen Händen. Während die Gemeinde mit den Planungen, einen eigenen jüdischen Kindergarten zu schaffen, bislang nicht erfolg- reich war, gehen die Planungen für einen Flurausbau im Altenheim weiter. Er soll insbesondere dafür geschaffen werden, dass die Gemeindemitglieder nicht nur pflegerisch, sondern auch seelsorgerisch besser betreut werden können. Die notwendigen Mitarbeiter habe man bereits, zeigte sich Mazo zuversichtlich.
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