Im Bezirk Mitte, in unmittelbarer Nähe des geschändeten alten Jüdischen Friedhofs in der Großen Hamburger Straße, ist der Sportverein Blau Weiß Berolina Mitte 49 zu Hause. Genau genommen befindet sich dessen Sportplatz an der Kleinen Hamburger Straße, der Verlängerung. Auf der Website der Jüdischen Gemeinde zu Berlin nennt man die Umgebung passend »Straße der Toleranz und des Todes«.
Der Friedhof der evangelischen Sophienkirche und das katholische St. Hedwig-Krankenhaus liegen ebenfalls in unmittelbarer Nähe. Man könnte meinen, es fehle eigentlich nur noch ein Ort der Erinnerung für Muslime.
Damit konnten am Sonntag auch die Veranstalter eines Toleranz-Turniers für Fußballer und Fußballerinnen bei Berolina Mitte nicht dienen. Was hier aber tatsächlich gelang, war die Zusage von Juden und Muslimen, einmal die große Welt mit ihren Konflikten ins Abseits zu stellen.
Stattdessen kickten hier neben Vertretern der Gastgeber fünf Mannschaften, die sonst ebenfalls Vereinsfußball spielen. Unter ihnen: eine Jugendmannschaft des TuS Makkabi Berlin. Dazu gesellte sich ein Team der »Deutschen Islam Akademie« und eine Gruppe der Synagoge Kahal Adass Jisroel (KAJ) aus der nahe gelegenen Brunnenstraße.
Die Gemeinde hat den Schock des Brandanschlags vom 18. Oktober 2023 auf ihr Gebäude mit jüdischer Kita noch nicht ganz verarbeiten können. Wie auch, wenn das eigene Haus nur knapp vor der Zerstörung durch Brandsätze bewahrt werden konnte?
Rabbiner Dovid Gernetz hatte die Einladung für das Toleranz-Turnier bei »Bero« Mitte schon vorher auf dem Tisch. »Die Zusammenstellung einer Mannschaft für das Kleinfeld war dagegen schwieriger, aber es gelang«, sagt der junge Vater. Seiner Tochter fehlt zum Mitkicken allerdings noch einiges an Jahren. Die junge Gemeinde biete viel für Mitglieder unter 18, wie der Rabbiner betont.
Kinder und Jugendliche, Mädchen und Jungen traten am Tag nach Schabbat zum Turnier an.
Kinder und Jugendliche, Mädchen und Jungen traten am Tag nach Schabbat zum Turnier an; zum Teil in gemischten Teams. Das Gelände in unvergleichlicher Lage – der Fernsehturm lugt hinter den Gebäuden hervor – ist klein.
»Unsere Pluspunkte sind die Gemeinschaft und die gute Öffentlichkeitsarbeit«, sagte der Zweite Vorsitzende Tilman Häußler der »Fußball-Woche« in einem Interview zum 75. Geburtstag des Vereins. Man bilde hier das gesamte Viertel ab. »Der Handwerker und die Start-up-Managerin begegnen sich auf Augenhöhe.«
Auf Augenhöhe spielten die Teams nicht immer, denn aufgrund der unterschiedlichen Altersstruktur variierte auch die Leistungsfähigkeit. Dass dies bei einem Toleranz- und Begegnungsturnier nur von zweitrangiger Bedeutung ist, sahen sowohl der Vorstandsvorsitzende von KAJ, Pavel Liubarsky, wie auch Silke Gebel, bis 2023 Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus und jetzige Abgeordnete. Sie war in Vertretung für das Bündnis Rosenthaler Vorstadt mit ihrem Sohn auf dem »Bero«-Platz. Das Bündnis für Demokratie, Vielfalt und Respekt wurde nach dem Angriff auf die Synagoge in der Brunnenstraße gegründet, um ein Zeichen gegen Hass zu setzen.
»Hass oder Vorkommnisse ähnlicher Art waren hier bisher zum Glück nicht anzutreffen«, sagte Rabbiner Dovid Gernetz kurz vor Ende des Turniers. Zahlreiche Polizeikräfte, aber auch ein separat kontrollierter Zugang zum Platz sorgten für die Sicherheit der Spieler und Zuschauer.
So wie Berolina Mitte selbst »eine starke Stimme im Kiez« bleiben will, möchte die Synagogengruppe KAJ ein Leuchtturm für authentisches jüdisches Leben sein.