Der christlich-jüdische Dialog lebt. Das stellten Gespräche, Podiumsdiskussionen und gemeinsame Feiern beim 98. Katholikentag in Mannheim eindrucksvoll unter Beweis. Höhepunkt dieses Miteinanders war am Donnerstagabend die Feier im voll besetzten Bürgersaal des Stadthauses, bei der der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann und der neue Rabbiner der Mainzer Gemeinde, Julian-Chaim Soussan, die Dialogpartner bildeten. Kirchentagspräsident Alois Glück entzündete eine eigens für den Katholikentag hergestellte Kerze und übergab sie zum Zeichen des Dialogs beim Empfang in der jüdischen Gemeinde am späteren Abend.
Rabbiner Julian-Chaim Soussan, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands, betonte die gemeinsame Urgeschichte des Juden- und Christentums. Den von ihnen beiden interpretierten Psalm 85 bezeichnete Kardinal Lehmann als »Geschenk des Judentums für den christlichen Gottesdienst«. Der Respekt voreinander und der Wille, miteinander ins Gespräch zu kommen und es weiterzuführen, war beiden religiösen Autoritäten anzumerken.
basis Doch dass der christlich-jüdische Dialog vor allem an der Basis funktioniert, zeigte das große Interesse der an ihren roten Schals, Rucksäcken und Bändern erkennbaren Katholikentagteilnehmer, die bei Synagogenführungen, Podiumsgesprächen und Seminaren dabei waren.
Die jüdischen Referenten zeigten sich beeindruckt von den kompetenten Nachfragen aus dem Publikum. Ob es um Frauen in den Religionen ging, eine Diskussionsveranstaltung, bei der Bischöfin Kirsten Fehrs, Rabbinerin Elisa Klapheck und die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi auf dem Podium saßen, oder um die Frage nach dem Beginn des Lebens, mit der sich Moraltheologe Konrad Hilpert und Rabbiner Julian-Chaim Soussan befassten, die Begegnungen verliefen auf Augenhöhe. Dabei sei, so der Kölner Rabbiner Jaron Engelmayer, vor allem an der Basis durchaus eine kritische Haltung der Katholiken gegenüber der Amtskirche herauszuhören.
Auch wenn die Wunden, die die Wiedereinführung der Tridentinischen Karfreitagsführbitte (2007) verursacht hat, noch nicht ganz verheilt sein mögen, funktioniere der Austausch sehr gut. »Wir Christen müssen uns immer wieder schämen, dass wir diese Gemeinsamkeiten unserer Religionen oftmals nicht gesehen haben«, formulierte es Kardinal Lehmann.
dialog Der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz und Erzbischof von Freiburg, Robert Zollitsch, betonte beim Empfang in der Jüdischen Gemeinde, der Katholikentag habe dazu beigetragen, dass sich das christlich-jüdische Verhältnis weiter sehr positiv entwickelt habe und erinnerte an die Berliner Rede von Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr, in der er gefordert hatte, dass es nach Jahrhunderten des Gegeneinanders heute die Aufgabe sei, dass beide Weisen der Schriftlektüre – die christliche und die jüdische - miteinander in Dialog treten müssen, um Gottes Willen und Worte zu verstehen.
Diese Aufgabe stelle sich auch der Katholikentag in Mannheim, so Zollitsch weiter. Das Programm lädt am Freitagvormittag zu Veranstaltungen ein, die den christlichen Besuchern einen Einblick in die jüdische Tradition, den Talmud und die Liturgie geben. »Im christlich-jüdischen Dialog geht es zweifellos darum, den anderen besser kennenzulernen«, sagte der Erzbischof.
Das konnten die Referenten an diesem Abend, zu dem Gemeindevorsitzende Schoschana Maitek-Drzevitzky ins Gemeindezentrum zu einem gemeinsamen koscheren Mal eingeladen hatte, ausführlich. Bei sehr angeregten Gesprächen an den Tischen setzten die Teilnehmer den Dialog bis in den späten Abend fort.