Salomon Neumann

Armenarzt und Statistiker

Wenigstens die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention hält die Erinnerung an Salomon Neumann wach. Sie verleiht eine Medaille für besondere Verdienste in der Präventions- und Sozialmedizin, die seinen Namen trägt und auf der ein Zitat Neumanns eingeprägt ist: »Medicin ist eine sociale Wissenschaft«. Jetzt erinnert auch ein Büchlein in der Reihe »Jüdische Miniaturen« an den engagierten Sozialmediziner aus Berlin.

Salomon Neumann (1819-1908) wurde in der westpommerschen Kleinstadt Pyritz (heute in Polen) geboren. Sein ältester Bruder zog 1835 nach Berlin, wo er als Textilfabrikant arbeitete. Salomon folgte ihm nach Berlin, um dort Abitur zu machen und Medizin zu studieren. Nach seinem Studium und Aufenthalten im Ausland ließ er sich 1845 in Berlin als Arzt und Geburtshelfer mit einer Praxis in der Stralauer Straße nieder. Gleichzeitig war er auch Armenarzt, später Gewerksarzt für den Berliner Gewerkskrankenverein.

1853 bot ihm der Berliner Polizeipräsident eine großartige Karriere im statistischen Amt des Polizeipräsidiums an. Bedingung war allerdings die Konversion zum Christentum, was Neumann jedoch ablehnte.

hygiene Zeit seines Lebens war er davon überzeugt, dass soziale Umstände und Gesundheit im Zusammenhang stehen. Zu diesem Thema veröffentlichte er Studien und Berichte, sammelte Statistiken, engagierte sich aber auch politisch. 1859 wurde er ins Stadtparlament gewählt und setzte sich fortan für die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in Berlin ein. Tatsächlich galt Berlin damals als eine der unhygienischsten Großstädte Europas, wie es Autor Günter Regneri formuliert.

Die Abwasserentsorgung war desolat, Cholera- und Typhusepidemien waren an der Tagesordnung. Zusammen mit Rudolf Virchow forderte Neumann vehement ein Kanalisationssystem. Die entsprechenden Bauarbeiten begannen 1873. Der Erfolg dieser Hygienemaßnahme lässt sich an folgenden, im Buch zitierten Zahlen ablesen: Als 1892 die Cholera erneut ausbrach, musste Hamburg über 8.600 Todesopfer beklagen, Berlin hingegen nur 15.

volkszählung Ebenso engagierte sich Salomon Neumann für den Bau von städtischen Krankenhäusern und war überzeugter Statistiker. So organisierte er die Volkszählung in Berlin neu. Seine Idee war es, die Erhebungsdaten vom jeweiligen Haushaltsvorstand ausfüllen und die Angaben durch sogenannte »Zähler« kontrollieren zu lassen.

Er konnte die Bevölkerung für sein Projekt begeistern und zahlreiche freiwillige Helfer als Zähler gewinnen. Dadurch gab es zum ersten Mal verlässliche Bevölkerungs- und Sozialdaten. Übrigens klingen seine Gedanken sehr modern, wenn er damals schreibt, es müsse dafür gesorgt werden, dass eine »missbräuchliche Verwerthung« der Daten unterbleibe. Er nutzte die dadurch gewonnenen Erkenntnisse, um Fortschritte im sozialen und medizinischen Bereich einzufordern, zum Beispiel ein Verbot von Kellerwohnungen, das er allerdings nicht durchsetzen konnte.

Sein Hang zur Statistik brachte ihn auch dazu, mithilfe von Zahlen antisemitische Theorien von jüdischen »Masseneinwanderungen« wissenschaftlich zu widerlegen. Seine demografische Studie »Die Fabel von der jüdischen Masseneinwanderung« erschien 1880.

Er engagierte sich auch in der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, war Mitglied des Kuratoriums und gründete sogar eine Stiftung, mit dem Zweck, die Wissenschaft des Judentums zu unterstützen. Salomon Neumann starb 1908 und musste nicht mehr erleben, wie das Vermögen seiner Stiftung durch die Inflation der 20er-Jahre fast den gesamten Wert verlor.

Günter Regneri: »Salomon Neumann. Sozialmediziner, Statistiker, Stadtverordneter«, Jüdische Miniaturen Nr. 107, Hentrich & Hentrich, Berlin 2011, 64 S., 6,90 €

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025

München

»Das ganz Andere fremder Welten«

Die Volkshochschule und das IKG-Kulturzentrum gedachten des 130. Geburtstags der Dichterin Gertrud Kolmar

von Helen Richter  05.01.2025

Feier

Dem Herzen folgen

Die IKG München und Oberbayern bedankt sich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement

von Luis Gruhler  05.01.2025

Würzburg

Kreuzfahrer am Main

Die Abiturientin Nele Fackler wird für einen Aufsatz zur Lokalgeschichte des Antisemitismus ausgezeichnet

von Gerhard Haase-Hindenberg  05.01.2025

Buch

Jüdisch im Sauerland

Hans-Ulrich Dillmann aktualisiert seine Studie über die Gemeinde in Lüdenscheid

von Martin Krauß  05.01.2025