Fachleute appellieren an die künftige Bundesregierung, in ihrer Politik den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens umzusetzen. Was das künftige Ampelbündnis im Koalitionsvertrag zu dem Thema festgehalten habe, müsse auch realisiert werden, sagte die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, aber »Papier ist geduldig«. Sie äußerte sich am Donnerstagabend bei einer online übertragenen Podiumsdiskussion des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks in Berlin.
Sich solidarisch mit Israel zu zeigen, müsse konkret werden, ergänzte Süsskind. Organisationen, die sich gegen Antisemitismus oder Rassismus einsetzten, dürften keine Gelder gestrichen werden. Sie bräuchten stattdessen Planungssicherheit. Ähnlich äußerte sich die Wissenschaftlerin Dani Kranz, Mitglied im Beratungskreis des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Menschen, die sich in entsprechender Projektarbeit engagierten, müssten häufig in existenzieller Unsicherheit leben.
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP enthält einen eigenen Abschnitt zu jüdischem Leben. Dies hatten bereits der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Antisemitismus-Beauftragte Klein gewürdigt.
Die neu gewählte Grünen-Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger sagte am Donnerstag, der Koalitionsvertrag sei eine gute Grundlage.
Er enthalte einen »klaren Fokus«, der auf der Bekämpfung von Antisemitismus und Verschwörungsmythen liege. Es sei ein Problem, dass Wissen über jüdisches Leben fehle. Sie verwies auf die jüngste Civey-Umfrage im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, wonach fast jeder zweite Deutsche bisher keine direkte Berührung mit jüdischem Leben hat.
Man müsse jedoch mehr über die Vielfalt innerhalb der jüdischen Kultur sprechen sowie Kunst, Kultur und wissenschaftliche Projekte fördern, fügte Schönberger hinzu. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag ihres künftigen Ampelbündnisses sagte sie: »Die Basis ist gelegt, jetzt müssen die Worte mit Taten gefüllt werden.« Dazu gehöre auch, sich um die soziale Absicherung von jüdischen Zuwanderern zu kümmern.
Insgesamt müsse in der Gesellschaft ein Klima geschaffen werden, in dem Menschen gerne ihr Jüdischsein zeigten: »Das geht weit darüber hinaus, jüdische Einrichtungen zu schützen.« kna/ja