»Antisemitismus hat in Berlin keinen Platz und darf keinen Platz haben«, verkündete Iris Spranger (SPD) am Montag vor der Senatsverwaltung für Inneres in Berlin-Mitte. Mitgebracht hatte die neue Berliner Innensenatorin aber nicht nur dieses Bekenntnis, sondern auch vier Plakate als Teil einer neuen Kampagne gegen Antisemitismus, die an diesem Tag startete.
Auf den Postern sind Alltagssituationen zu sehen: eine Vorlesung im Hörsaal, ein Streit zwischen Jugendlichen. Darunter ist der Schriftzug »Das ist Antisemitismus« zu lesen, jeweils mit passender Ergänzung wie »und keine These« oder »und kein Streit«. Spranger betonte, die Kampagne wolle eher subtile Formen von Antisemitismus, die einigen gar nicht unmittelbar auffallen würden, thematisieren. Es gehe darum, »die Grenzen zu ziehen zwischen Antisemitismus und einem harmlosen Witz oder einer Zeile in einem Song«.
VORFÄLLE Den Grund, warum Aufklärung über die verschiedenen Facetten des Antisemitismus in Berlin nottut, lieferte die neue Innensenatorin Spranger gleich mit: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) zählte 2021 für die erste Jahreshälfte 522 antisemitische Vorfälle, die Polizei im selben Zeitraum 161 Straftaten mit antisemitischer Motivation.
Die Kampagne will zu Solidarität und zum Handeln anregen.
»Leider suchen sich nur zehn Prozent der Opfer Hilfe oder erstatten Strafanzeige«, ergänzte Spranger. »Die Dunkelziffer antisemitischer Straftaten dürfte also sehr hoch sein.« Die Kampagne setze genau dort an, indem sie die Berliner Bevölkerung für das Thema sensibilisieren und zu Solidarität und zum Handeln anregen wolle. Jede Berlinerin und jeder Berliner könne etwas dafür tun, das Dunkelfeld – die Differenz zwischen tatsächlichen und gemeldeten Straftaten – zu erhellen.
An der Erarbeitung der Kampagne war auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin beteiligt. Stellvertretend für sie lobte deren Antisemitismusbeauftragter Sigmount Königsberg die Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Inneres, die sich etwa im Runden Tisch gegen antisemitische Gewalt ausdrücke. Das Gremium gibt es seit 2019, es besteht sowohl aus Entscheidungsträgern des Landes Berlin als auch aus Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft.
SMARTPHONES »Antisemitismus fängt nicht erst dort an, wo es strafrechtlich relevant wird, und nur ein Bruchteil der Fälle wird auch erfasst«, unterstrich Königsberg die Bedeutung der neuen Kampagne. »Das ist Antisemitismus« appelliere an die Zivilcourage der Gesellschaft, bei antisemitischen Vorfällen einzuschreiten oder diese zu dokumentieren. »Mit den Smartphones, die wir alle in der Tasche tragen, ist das heute einfacher denn je«, sagte Königsberg.
Das Geld für die Aktion kommt aus dem Fonds zur Unterstützung von Betroffenen politisch-extremistischer Gewalt, den der Berliner Senat 2020 eingerichtet hat. Für die konkrete Ausgestaltung der Kampagne, die insgesamt zwei Wochen lang laufen wird, zeichnet die Landeskommission »Berlin gegen Gewalt« verantwortlich, die wiederum bei der Senatsverwaltung für Inneres angesiedelt ist.
Insgesamt wurden laut Ingo Siebert, Leiter der Geschäftsstelle der Landeskommission, 25 Flächen für großformatige Plakate angemietet. Zusätzlich wurde Werbezeit beim Berliner Fenster, dem Nachrichtenmonitor in den Berliner U-Bahnen, sowie auf Displays in Spätkauf-Läden erworben. Einen geografischen Schwerpunkt gebe es nicht; man wolle die Bevölkerung in allen Bezirken der Stadt erreichen. »Das Problem Antisemitismus gibt es nämlich in ganz Berlin«, betonte Siebert.