RIAS-Studie

»Antisemitismus ist ein drängendes Problem«

Rami Suliman, Vorstandsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden Foto: picture alliance/dpa

Beleidigungen, Bedrohungen, Hetze in sozialen Netzwerken: Juden in Baden-Württemberg erleben in ihrem Alltag Antisemitismus. Zu diesem Schluss kommt der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) in einer aktuellen Studie. Am Dienstag stellte RIAS die »Problembeschreibung: Antisemitismus in Baden-Württemberg« im Rahmen einer Online-Pressekonferenz vor. Gefördert wurde die Untersuchung durch den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sowie den Beauftragten der Landesregierung Baden-Württembergs gegen Antisemitismus, Michael Blume.

Im Zentrum der Studie stehen 20 leitfadengestützte Interviews mit 18 jüdischen Akteuren sowie zwei Vertretern aus der baden-württembergischen Zivilgesellschaft aus dem Zeitraum Sommer und Herbst 2019. Auch polizeiliche und zivilgesellschaftliche Daten zu antisemitischen Vorfällen sowie Straftaten in dem Bundesland wurden für die Untersuchung herangezogen. Ähnliche Problembeschreibungen hat RIAS bereits für Sachsen, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt erstellt.

INTERVIEWS In den Interviews wurden von den Befragten sämtliche Vorfallarten geschildert, die RIAS in den Bereich Antisemitismus zählt. Darunter zwei Vorfälle extremer Gewalt, elf tätliche Angriffe, elf gezielte Sachbeschädigungen, sechs Bedrohungen und 20 Fälle verletzenden Verhaltens. In den geschilderten Vorfällen tauchen Stereotype aller antisemitischen Erscheinungsformen auf: antisemitisches Othering, israelbezogener Antisemitismus, Post-Schoa-Antisemitismus, moderner und antijudaistischer Antisemitismus.

»Die Interview-Partner sahen Antisemitismus als großes Problem und äußerten sehr deutlich Befürchtungen vor einer weiteren Zunahme der Zahl antisemitischer Vorfälle in Baden-Württemberg«, sagt Daniel Poensgen, wissenschaftlicher Referent beim RIAS-Bundesverband und Co-Autor der Studie. »Antisemitismus ist auch für Juden in Baden-Württemberg ein alltagsprägendes Phänomen.«

Grundsätzlich sei Judenhass ein Problem, das sich in Baden-Württemberg durch alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen zieht, sagte Daniel Poensgen von RIAS.

Grundsätzlich sei Judenhass ein Problem, das sich in Baden-Württemberg durch alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen zieht, sagte Poensgen. Viele der genannten Vorfälle könnten jedoch dem extrem rechten und rechtspopulistischen Milieu zugeordnet werden. Auch Islamisten und linke Aktivisten ließen sich als Urheber antisemitischer Umtriebe identifizieren.

In der Studie wertete RIAS auch 671 antisemitische Straftaten aus, die zwischen 2014 und 2018 in Baden-Württemberg begangen wurden. Insbesondere 2014 wurden im Zusammenhang mit der damaligen Eskalation im Konflikt zwischen Israel und der terroristischen Hamas zahlreiche Straftaten verzeichnet – nicht allein in Großstädten, sondern in der Fläche des Bundeslandes.

KLEINSTÄDTE Insgesamt fanden zwei Drittel der in der Statistik zu politisch motivierter Kriminalität erfassten Straftaten in Mittel- wie Kleinstädten oder im ländlichen Raum statt, was Baden-Württemberg von anderen vom Bundesverband RIAS untersuchten Bundesländern unterscheidet.

Rami Suliman, Vorstandsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, dankt RIAS für die Studie. »Antisemitismus ist ein drängendes Problem, auch bei uns in Baden-Württemberg«, sagt er. Allerdings werde man als Gemeinde in dem Bestreben, ohne Angst vor Bedrohung leben zu können, zunehmend von der Zivilgesellschaft und der Politik unterstützt. »Das hat sich gerade erst wieder gezeigt, als sich unsere Partner aus Regierung, Landtag, Kommunen, Religionsgemeinschaften und Gesellschaft demonstrativ hinter uns stellten und Beschädigungen von Synagogen in Mannheim und Ulm sowie gewalttätige Demonstrationen infolge der Hamas-Angriffe auf Israel verurteilten«, sagt Suliman.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert