Nach den judenfeindlichen Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Demonstrationen hat der jüdische Verbandschef Michael Fürst aus Hannover ein konsequentes Einschreiten des Staates gefordert. Die judenfeindliche Gewalt sei ein »Einschnitt« für die jüdischen Gemeinden, sagte Fürst: »Hier ist eine Grenze überschritten. Das haben wir bisher nirgends gehabt und auch nicht erwartet.«
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel häufen sich in Deutschland antisemitische Vorfälle. So warfen Unbekannte in der Nacht zu Mittwoch zwei Molotow-Cocktails in Richtung eines von Objektschützern bewachten jüdischen Gemeindezentrums in Berlin. Zudem wurden Davidssterne an Häuser geschmiert, in denen Juden leben. Bei Demonstrationen von Palästinensern und ihren Unterstützern wurden Polizisten mit Feuerwerkskörpern beschossen und zum Teil verletzt.
»Wer so etwas macht, gehört nicht nach Deutschland«
Die Entwicklung sei »hochbedenklich«, mahnte der langjährige Präsident des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Viele jüdische Gemeindemitglieder trauten sich derzeit nicht, sich als Juden in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben. Sie hätten Angst vor Gewalttaten. »Das ist eine Angst, die wir vorher nicht gekannt haben, beinahe schon Panik.« Manche Familien mit jüdisch klingenden Namen sagten inzwischen geplante Urlaube in der Türkei ab.
»Der deutsche Staat ist aufgerufen, alles nur mögliche zu unternehmen, um Attacken auf jüdische Einrichtungen mit allen strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden«, forderte Fürst. Wenn Demonstrationen aus dem Ruder liefen, müssten mögliche Straftäter rasch vor Gericht gestellt werden. Falls es sich dabei um ausländische Staatsangehörige handele, müsse auch über eine rasche Ausweisung nachgedacht werden.
Skeptisch zeigte sich Fürst gegenüber dem Vorschlag von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass Zuwanderer in Deutschland eine »Integrationsvereinbarung« unterzeichnen sollten, in der sie das Existenzrecht Israel anerkennen. »Ich glaube nicht, dass man so etwas braucht«, sagte er. Eine solche Vereinbarung werde zunächst einmal jeder unterschreiben. Es handele sich um einen gut gemeinten Vorschlag, der aber am Ende wirkungslos bleiben werde.
Wichtiger sei es, junge Menschen mit antisemitischen Einstellungen in Erziehung und Schule mit pädagogischen Mitteln »in richtiges Fahrwasser zu bringen«, forderte der Verbandspräsident. Zudem müssten die Behörden darauf achten, dass über Zuwanderung nicht noch mehr judenfeindliche Einstellungen importiert würden: »Wir müssen schon ein bisschen aufpassen, wen wir in unser Land lassen.« epd