Es kommt nicht alle Tage vor, dass Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht Examensurkunden überreicht. Den 20 Absolventen der Jüdischen Sozialarbeit wurde diese Ehre am 24. August zuteil. Im Rathaussaal in Erfurt wurde mit den Bachelor-Examen beendet, was im April 2007 seinen Anfang genommen hatte – als Pilotprojekt der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt) zusammen mit der Erfurter Fachhochschule. 24 Zuwanderer aus den Ländern der früheren Sowjetunion nahmen damals ihr Studium auf.
Sie alle hatten bereits in ihren Herkunftsländern einen Beruf erlernt und waren zwischen 30 und 45 Jahre alt. Für dreieinhalb Jahre starteten sie eine Weiterbildung, die es in der Form noch nicht gegeben hatte. Die Grundstruktur entspricht dem Studium Sozialarbeit, ergänzt durch Basiswissen zum Judentum und jüdische Ethik. Die Absolventen sollen jüdischen Gemeinden bei der Versorgung ihrer Mitglieder helfen. Das bedeutet vor allem, sich um ältere, vom Holocaust oder dem Verlust ihrer Kultur traumatisierte, vorwiegend russischsprechende Menschen zu kümmern.
Alle Absolventen arbeiteten während ihres Studiums in diesem Bereich, allerdings zu einem minimalen Gehalt, erklärt Sozialwissenschaftler Doron Kiesel, der zusammen mit ZWSt-Direktor Benjamin Bloch und Esther Weitzel-Polzer mit dem Projekt betraut war. Das eigentliche Studium erfolgte in Blockseminaren sowie per Chat und Internetforen. Der kleine Teilnehmerkreis und das intensive Arbeiten miteinander haben Studenten wie Professoren nicht nur fachlich sondern auch menschlich zusammengebracht. »Ihr Erfolg ist eine Bestätigung für die ZWSt, dass wir mit unserem Engagement für die berufliche Integration von Zuwanderern auf einem richtigen Weg sind«, sagte ZWSt-Vorsitzender Abraham Lehrer. Stärken und Schwächen werde man auswerten, um weitere Projekte dieser Art zu installieren.
Die meisten Absolventen werden in den während des Studiums aufgenommenen Arbeitsbereichen bleiben können, nur besser dotiert, da sie nun einen akademischen Abschluss vorweisen können. Die Nachfrage für das Studium ist groß. Zum März 2011 könnte ein weiterer Jahrgang starten. Jetzt suche man Sponsoren. Das Pilotprojekt wurde von der Dorothea-Gould-Foundation finanziert.