Köln

Anfangsverdacht Volksverhetzung

Ein Gemeindemitglied und OB Henriette Reker verweisen auf antisemitische Flyer – Staatsanwaltschaft äußert sich zu Verfahren

 18.02.2021 12:17 Uhr Aktualisiert

Die Flyer sollen in verschiedenen Bahnlinien der KVB verteilt worden sein. Foto: imago/Future Image

Ein Gemeindemitglied und OB Henriette Reker verweisen auf antisemitische Flyer – Staatsanwaltschaft äußert sich zu Verfahren

 18.02.2021 12:17 Uhr Aktualisiert

Eine Zeit lang war es in sozialen Medien zu sehen: das Bild eines Handzettels mit antisemitischem Inhalt, der jüngst in einer Kölner Straßenbahn verteilt worden sein soll. Darauf stand: »Haben wir denn wirklich nur ein Corona-Problem? Oder haben wir nicht vor allem ein Juden-Problem?« Daneben sind die Namen von Angela Merkel, Jens Spahn, Heiko Maas und Christian Drosten aufgeführt, die als Juden bezeichnet werden.

Bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) hieß es, man sei durch Twitter auf diesen Vorgang aufmerksam geworden. »Wir gehen konsequent gegen solche Dinge vor, haben sofort Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Solche Vorfälle sind untragbar«, sagte ein KVB-Sprecher der Jüdischen Allgemeinen.

Strafanzeige »Das ist natürlich ein absolutes Unding«, reagierte Abraham Lehrer vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, auf die antisemitischen Flugblätter. Auch der Vorstand der Synagogen-Gemeinde habe entschieden, Strafanzeige zu erstatten.

Gegen das Kölner Gemeindemitglied Samuel Ahren wurde ein Verfahren wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung eingeleitet, nachdem er auf seinem Twitter-Account auf den Handzettel hingewiesen hatte.

Nach Redaktionsschluss der Jüdischen Allgemeinen teilte die Staatsanwaltschaft Köln am Donnerstag mit, in dem Verfahren um die Verbreitung einer antisemitischen Hetzschrift durch einen privaten Nutzer des Kommunikationsdienstes Twitter am 10. Februar sei mit Verfügung vom 17. Februar nach Veranlassung der erforderlichen Vorermittlungen von der Durchführung weiterer Ermittlungen abgesehen und das Verfahren eingestellt worden.

In dem Grundsachverhalt der Verbreitung der fraglichen Hetzschrift in einer Kölner Straßenbahn dauerten die Ermittlungen noch an. Die Person der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand von  Vorermittlungen gewesen, so die Staatsanwaltschaft weiter.

Tweet Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte den inzwischen gelöschten Tweet geteilt und mit deutlichen Worten den Inhalt des Flyers scharf verurteilt. Bislang habe sie keine Kenntnis davon, ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich wegen der Verbreitung volksverhetzender Inhalte auch gegen sie ermittelt, erklärte sie am Dienstag. Es war und sei ihr ein wichtiges Anliegen, gegen antisemitische Äußerungen klar Position zu beziehen. Die Synagogen-Gemeinde hatte am vergangenen Sonntag die sofortige Einstellung der Verfahren gegen Samuel Ahren und Oberbürgermeisterin Reker gefordert.

»Der Umgang der Justiz mit Antisemitismus wirft immer wieder Fragen auf«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Zentralratspräsident Josef Schuster verurteilte das Verfahren scharf: »Der Umgang der Justiz mit Antisemitismus wirft immer wieder Fragen auf. Während die Staatsanwaltschaft in Hamburg bei dem Mann, der mit einem Spaten einen jüdischen Studierenden vor der Synagoge angegriffen hat, die antisemitischen Motive des Täters aufgrund dessen psychischer Verfassung relativiert, zeigt die Staatsanwaltschaft in Köln Eifer gegenüber Menschen, die auf Antisemitismus aufmerksam machen wollten. Mir scheint, hier drohen Maßstäbe zu verrutschen«, sagte Schuster der Jüdischen Allgemeinen.

Der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte der Jüdischen Allgemeinen, dass sich die Kölner Staatsanwaltschaft in der Pflicht sehe, Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn – wie in diesem Fall – Nutzer in sozialen Netzwerken Fotos eines Flyers mit volksverhetzendem Inhalt veröffentlichen. »Dabei sind wir uns aber der Tatsache bewusst, dass wir nicht die eigentlichen Täter straffrei davonkommen lassen und hier nur gegen diejenigen vorgehen, die auf diese Tat aus bestimmt guten Gründen aufmerksam machten wollten.«

Ziele Das strafrechtliche Verbot der Volksverhetzung nach § 130 StGB habe zum Ziel, generell die Verbreitung hetzerischer Inhalte in der Gesellschaft zu unterbinden. Dabei sei es zunächst ohne Belang, welche Ziele mit der Verbreitung etwa eines hetzerischen Flugblattes verfolgt werden, da eben die Verbreitung als solche auch in sozialen Netzwerken unterbunden werden soll. Auf jeden Fall werde mit Hochdruck daran gearbeitet, den eigentlichen Urheber dieses unsäglichen Flugblattes zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.

Hier habe sicherlich nicht jemand gepostet oder verbreitet, um sich den Inhalt zu eigen zu machen und mitzutragen, sondern um es anzuprangern.

Marco Heymann, Rechtsanwalt

Der Kölner Rechtsanwalt Marco Heymann, der Samuel Ahren vertritt, sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Es mag vielleicht auch eine Frage der Handhabung oder der Geschicklichkeit im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung sein, wenn die Staatsanwaltschaft zunächst einmal ein Verfahren aufnimmt. Aus professioneller Sicht kann ich das aber nicht als ungeheuerlichen Fehltritt qualifizieren. Das ist ein normaler Gang eines Strafverfahrens.« Ein Verfahren zu eröffnen, um es dann möglicherweise sehr schnell wiedereinzustellen, sei kein sonderbarer Vorgang.

Heymann betonte: »Hier ist es im Ergebnis offensichtlich so, dass da sicherlich nicht jemand gepostet oder verbreitet hat, um sich den Inhalt zu eigen zu machen und mitzutragen, sondern um es anzuprangern und darauf aufmerksam zu machen, dass heute (wieder) solche Zettelchen von wem auch immer in die Welt gesetzt werden.« Und fügte hinzu: »Ich glaube aber, am Ende des Tages wird mein Mandant nicht damit rechnen müssen, dass er dafür tatsächlich bestraft wird.« ja

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