Mit einem Festakt feierte die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) am Sonntag die Gründung vor 100 Jahren. Die Liste der Ehrengäste, die ZWST-Präsident Abraham Lehrer im Festsaal der Jüdischen Gemeinde Frankfurt begrüßen konnte, war lang – die der Redner ebenfalls.
Keiner vergaß, dabei eine ganz besondere Frau zu erwähnen: Bertha Pappenheim, Frauenrechtlerin, Sozialarbeiterin, Erzieherin und Schriftstellerin. Sie hatte die wesentlichen Anstrengungen unternommen, die ZWST zu gründen, sagte Lehrer.
geschichte Es folgte eine wechselvolle Geschichte, von der rasanten Entwicklung der jüdischen Sozialarbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der Zeit des Nationalsozialismus, die 1939 zum vollständigen Verbot des Verbandes führte, bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit 1951. Lehrer schilderte die Veränderungen der Aufgaben des Verbandes bis heute, der Arbeit mit Senioren, Kindern und Jugendlichen, der Arbeit der Integration und Inklusion.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, betonte, dass durch Bertha Pappenheim die jüdische Sozialarbeit erstmals unter ein Dach gestellt und koordiniert wurde: »Mit ihrer Arbeit hat sie etwas getan, was bis heute für uns wesentlich ist: Sie hat sich starkgemacht für jene, die selbst alleine ihre Rechte nicht durchsetzen konnten. Sie hat ihre Stimme erhoben für Menschen, denen niemand zuhörte. Bertha Pappenheim war wirklich Anwältin der Schwachen und Bedürftigen.«
Und sie habe schon früh erkannt, sagte Schuster, dass eine zentrale Stelle mehr Durchschlagskraft hat als viele kleine Einheiten. »Ohne auf die religiöse Ausrichtung oder die Herkunft zu achten, setzte sie sich für die sozialen Belange der jüdischen Gemeinschaft ein. Ebenso macht es die ZWST. Und auch der Zentralrat der Juden in Deutschland folgt diesem Vorbild.«
solidarität Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) würdigte die soziale Arbeit des Verbandes, die geleistete Solidarität mit Menschen, die Unterstützung benötigen. Die ZWST habe in ihrer Geschichte immer wieder gezeigt, dass sie in der Lage ist, große Herausforderungen zu meistern, sagte Barley: »Ich habe vor ihrer Leistung für die Menschen und die Menschlichkeit den allergrößten Respekt.«
Glückwünsche überbrachte auch Prälat Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes und zugleich Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), sowie Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, hielt die Festansprache.
Neben dem Dank an die mehr als 100 Mitarbeiter der ZWST wurden die Verdienste eines Mannes besonders hervorgehoben – die von Benjamin Bloch. Zentralratspräsident Schuster wandte sich in seiner Rede direkt an den Direktor der ZWST: »Mit deinem Engagement über Jahrzehnte, lieber Beni, bist du in die Fußstapfen von Bertha Pappenheim getreten und hast dich ebenso wie sie immer auf die Seite der Schwachen gestellt.« ZWST-Präsident Lehrer sagte, Bloch sei der wichtigste Garant für den Erfolg des Verbandes.
Der von der Journalistin Shelly Kupferberg moderierte Festakt ging mit einer Gesprächsrunde von Zeitzeugen und Mitarbeitern, der Premiere des Jubiläumsfilms Das Gewissen ruft und der Eröffnung einer Wanderausstellung zu prägenden Persönlichkeiten aus der Geschichte der ZWST zu Ende. ddk