Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Fans des Eurovision Song Contest kennen keine Grenzen. Auch wenn der Liederwettbewerb jedes Jahr für Außenseiter wie ein Punkte-Kleinkrieg teils verfeindeter und teils verbündeter Nationen wirkt, geht es den wahren Liebhabern nur um die Musik. Sie sind in Fanklubs organisiert und untereinander vernetzt. In Berlin haben sich von Freitag bis Sonntag der israelische und die beiden deutschen Fanklubs zur gemeinsamen Gala am »Eurovision Weekend« getroffen.
Die Klubs gehören dem OGAE, der Organisation Générale des Amateurs del’Eurovision an, dem internationalen Dachverband von 40 Eurovison-Fanklubs aus Europa und der ganzen Welt. Im vergangenen Jahr wurden die Finnen nach Deutschland eingeladen, beim zweiten Fan-Wochenende war diesmal Israel dran.
Party Organisator Frank Lochthove möchte zeigen, dass deutsche Eurovision-Fans israelische Musik und Israel lieben und er ist sich sicher, dass der Wettbewerb der Völkerverständigung dient. Neben der Gala am Samstag gab es viele kleinere Partys mit Eurovision-Themen. Dieser Feierfokus deckt sich mit der Erinnerung der deutschen Sängerin Lou, die vor zehn Jahren in Riga auftrat und für die die ganze Veranstaltung vor allem »eine Woche Party« bedeutete.
Sie war einer der Galagäste am Samstagabend und hat dabei auch ihren damaligen Eurovision-Song Let’s Get Happy, von Ralph Siegel geschrieben, gesungen. Ralph Siegel hat in der Vergangenheit einmal fast dafür gesorgt, dass Israel und Deutschland quasi gemeinsam antreten. 1997 schrieb der Komponist für Esther Ofarim das Lied Zeit, mit dem sie für Deutschland auftreten und somit auch Versöhnung symbolisieren sollte. Dazu kam es nicht, stattdessen belegte Bianca Shomburg mit dem Song den 18. Platz.
Aus Israel angereist war die Sängerin Liora, die 1995 in Dublin Amen gesungen hat und damit den achten Platz belegte. Damals stand sie am Anfang ihrer Karriere, ihr Debütalbum wurde kaum im Radio gespielt. Dann kam der nationale Vorentscheid, bei dem sie mehr Punkte als irgendjemand vor oder nach ihr bekam. »Heute ist Lioras Song eine kleine Hymne«, sagt Roi Yechezkel, der Präsident des israelischen Fanklubs. In Israel ist der Wettbewerb immer noch wichtig und in der Musikszene verankert, erklärt Roi.
Ostblock Seit der ersten Teilnahme 1973 in Luxemburg und dem vierten Platz für Ey Sham von Ilanit war es fast in jedem Jahr dabei. Durch den Vorentscheid wurden schon viele Stars wie Liora entdeckt. In den vergangenen Jahren konnte sich Israel leider nicht qualifizieren, ist aber immer mit dem Herzen dabei. Besonders viele Punkte vergibt das Land traditionell an Russland und andere ehemalige Ostblock-Staaten.
»Die Leute geben gerne an das Land Punkte, aus dem sie selbst oder wenigstens ihre Großeltern kommen. Meine kommen aus der Türkei, und es gibt keinen größeren Türkei-Unterstützer im Eurovision Contest als mich«, sagt Roi. »Und wenn Libyen mitmachen würde, dann wäre ich vermutlich genauso dabei«, sagt Liora. Sie ist gerührt von den deutschen Eurovison-Fans: »Einer hat mich ganz aufgeregt erkannt und umarmt. Das hat mich sehr gerührt.«
Liora hat sich nicht auf ihrem Hit ausgeruht, sondern musikalisch weiterentwickelt. Im Moment spielt sie viel lateinamerikanische und libysche Musik und hat vor deren Tod noch mit der argentinischen Song-Ikone Mercedes Sosa gearbeitet. Wenn Liora international auftritt, auch in jüdischen Gemeinden, möchten viele aber auch immer noch Amen hören. Verfolgt von dem Song fühlt sie sich deswegen aber nicht.
»Viele weigern sich, ihren Eurovision-Song zu singen und schaden damit ihrer Karriere. Ich singe das ganze Konzert über nur auf Spanisch, aber natürlich auch am Ende Amen. Das Lied ist ein Geschenk für mich, und das gebe ich gerne weiter.«