Namenslesung

Am historischen Ort

Namenslesung mit Blick auf die zerstörten Münchner Synagogen Foto: Astrid Schmidhuber

Der 85. Jahrestag des Novemberpogroms 1938 motivierte Bezirksausschüsse und Initiativen aus München, in ihren jeweiligen Stadtteilen an die jüdischen Nachbarn zu erinnern, die einst gedemütigt wurden und dann verschwanden.

Wie brutal, menschenverachtend und mörderisch das Handeln der NS-Verantwortlichen, ihrer aktiven Helfershelfer und der gleichgültigen Mehrheitsgesellschaft war, machte die traditionelle Namenslesung am Vormittag des Jahrestags im voll besetzten Saal des Alten Rathauses deutlich.

85 Jahre zuvor, am 9. November 1938, war von dort die sogenannte »Reichskristallnacht« ausgegangen. Ilse Macek, Regionalsprecherin von »Gegen Vergessen – Für Demokratie«, erinnerte an die Ursache dieser Bezeichnung. Nämlich »zerschlagene Glasscheiben von Geschäften und das Chaos der Trümmer auf den Straßen aus den kurz und klein geschlagenen Wohnungen sowie aus den Synagogen«. Was der Name nicht ausdrücke, seien die Überfälle, Mordaktionen, Vertreibung und Verschleppung von weit über 1000 jüdischen Männern ins KZ Dachau in der sogenannten »Schutzhaftaktion«.

28 Jugendliche und 17 Erwachsene traten nach vorn, um die Namen der Opfer der Pogromnacht zu verlesen.

Aufmerksam lauschte die Zuhörerschaft – Schülerinnen und Schüler des Städtischen Heinrich-Heine-Gymnasiums, Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft und viele interessierte Bürger. Sodann traten 28 Jugendliche sowie 17 Erwachsene nach vorn, um die Namen der Opfer der Pogromnacht zu verlesen.

Es sprachen am Rednerpult unter anderem der vormalige und gegenwärtige Kulturreferent, Hans-Georg Küppers und Anton Biebl, der Leiter des Stadtarchivs, Daniel Baumann, dessen Vorgänger Michael Stephan, Barbara Distel, ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, sowie die vormalige Stadtdekanin Barbara Kittelberger.

Die Redner trugen insgesamt 45 Lebensläufe vor. Einer wie der andere war herzergreifend. Das erste Mordopfer der Pogromnacht in München war Joachim Chaim Both, der in seine Wohnung hinaufgeschleppt und dort von einem SA-Mann, dem man später höhnisch »Notwehr« zubilligte, in die Stirn geschossen wurde. Andere wie Karl Adler, Leopold Bissinger und Hans Moritz starben gewaltsam in Dachau.

Friedrich Goldschmit und Charles Salomon Hirsch begingen Suizid. Cornelia Schloss sprang am 29. November 1938 aus dem 4. Stock, als sie vom Tod ihres Sohnes Hans erfuhr, dem man im Lager das für ihn lebensnotwendige Insulin verweigert hatte.

Manchen Familienangehörigen gelang anschließend noch die Flucht ins Ausland, andere blieben von der Deportation nach Kaunas, Piaski oder Auschwitz nicht verschont. Zuletzt trug Ellen Presser das Gedicht vor, dem das alljährliche Motto der Veranstaltung entstammt: »Jeder Mensch hat einen Namen.« Mit dem Gedenkgebet El Male Rachamim beschloss Rabbiner Shmuel A. Brodman einen eindrücklichen Vormittag. ikg

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert