Der rote Teppich lag ausgerollt vor dem legendären Zoo Palast in Berlin, die Kameras waren auf Stars und Sternchen gerichtet, und die hatten offensichtlich gute Laune.
Der Grund: Am vergangenen Sonntagmittag wurde der Ernst-Lubitsch-Preis verliehen – die renommierteste Auszeichnung in der deutschen Filmbranche. Jedes Jahr zeichnet der Club der Filmjournalisten damit Schauspieler oder Regisseure für herausragende komödiantische Leistungen aus.
In diesem Jahr sollten es sowohl der Schauspieler Marc Hosemann als auch der Regisseur Radek Wegrzyn sein, die für ihre Beiträge zum deutschen Film geehrt wurden. Während Hosemann für seine beeindruckende Darstellung in »Sophia, der Tod und ich« gewürdigt wurde, erhielt Wegrzyn einen Sonderpreis für seine berührende Dokumentation Miss Holocaust Survivor.
Das Metropolit-Orchester sorgte für den Sound der 20er.
Neben viel Glamour setzte man bewusst auf Historisches. So sorgte das Metropolit Orchester Berlin in stilvollen 1920er-Jahre-Outfits mit seiner Musik für eine atmosphärische Untermalung und versetzte die Gäste damit zurück in die Zeit, in der der Namensgeber des Preises, der Regisseur Ernst Lubitsch, einige seiner wichtigsten Werke schuf.
Die Verleihung fand in Anwesenheit zahlreicher prominenter Gäste aus dem Showbusiness statt, darunter die Regisseure Detlev Buck und Leander Haußmann. Aber auch die 102 Jahre alte Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, fast schon eine Zeitgenossin von Ernst Lubitsch, zählte zu den Gästen.
Radek Wegrzyns Produktionen bestechen durch eine ganz besondere Sensibilität.
Seit der ersten Verleihung im Jahr 1958 gilt der Ernst-Lubitsch-Preis als ein Symbol für Exzellenz im Genre Komödie. Ernst Lubitsch, sein Namensgeber, gilt als einer der einflussreichsten Regisseure des frühen 20. Jahrhunderts. Geboren 1892 in Berlin, folgte Lubitsch bereits 1922 dem Ruf nach Hollywood, wo er der erste europäische Regisseur von Rang sein sollte.
Für seinen einzigartigen Stil, der oft als »Lubitsch-Touch« bezeichnet wird, fand er internationale Anerkennung. Dieser steht für eine subtile, intelligente und oft ironische Form des Humors, der in seinen Filmen meisterhaft zum Ausdruck kommt. Lubitsch schuf zeitlose Klassiker wie die schwarze Komödie Sein oder Nichtsein (1942) – ein Klassiker, wenn es darum geht, Nazis aufs Korn zu nehmen. Oder Blaubarts achte Frau (1938) und Ninotschka (1939), zwei Komödien, die bis heute als Meisterwerke der Filmkunst gelten.
Der Club der Filmjournalisten, der den Preis jährlich verleiht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe Lubitschs auf diese Weise zu bewahren. Dabei gehe es ihnen nicht nur um eine Anerkennung für die Kreativität und das Talent der jeweiligen Preisträger. Man will so auch an die Bedeutung von Humor und Menschlichkeit in der Kunst erinnern.
Beispielhaft dafür ist der diesjährige Sonderpreis an Radek Wegrzyn. In seiner Dokumentation Miss Holocaust Survivor, die bereits aufgrund ihrer Thematik im Vorfeld für reichlich Aufmerksamkeit gesorgt hat, geht es um einen Schönheitswettbewerb der besonderen Art, und zwar für Holocaust-Überlebende in Haifa. Was auf den ersten Blick als provokant erscheinen mag, entpuppt sich im Verlauf des Films als eine tiefgründige Erzählung über die Stärke und Resilienz von Frauen, die das dunkelste Kapitel der jüdischen Geschichte überlebt haben.
Zum Ausdruck kam das auch in der bewegenden Laudatio, die Sharon Brauner hielt. »Es braucht einen Menschen wie Radek Wegrzyn, der das Feingefühl besitzt, die Höhen und Tiefen, das Dunkle und das Helle, das Schwere, Leichte, Traurige und vor allem den Humor einzufangen und für uns Zuschauer erlebbar zu machen«, so die Musikerin und Schauspielerin.
Radek Wegrzyn, geboren 1977 in Danzig, ist gewiss kein Unbekannter in der Filmwelt. Seine Produktionen zeichnen sich durch eine ganz besondere Sensibilität und ein feines Gespür für die Bandbreite in den Nuancen menschlicher Emotionen aus.
Rita und Tova haben mir ihr Vertrauen geschenkt.
In Miss Holocaust Survivor gelingt ihm auch das wieder, und zwar die Geschichten seiner Protagonistinnen mit einer beeindruckenden wie ausgewogenen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit zu erzählen. Der Film changiert zwischen persönlichen Erzählungen, die von erlebter Grausamkeit zeugen, und Momenten des Humors, die die unzerstörbare Lebensfreude dieser Frauen widerspiegeln.
Für Wegrzyn sei es »eine besondere Ehre«, die Auszeichnung zu erhalten. »Einen so wunderbaren und alten Filmpreis zu bekommen, der normalerweise nur im Bereich Spielfilm vergeben wird, ist für mich etwas sehr Ungewöhnliches und sehr Schönes.«
Das gehe über die Anerkennung seiner filmischen Arbeit hinaus und beziehe seine Protagonistinnen mit ein. »Umso mehr freue ich mich über diesen Preis, weil es die Bestätigung eines Versprechens ist, das ich vor Beginn der Dreharbeiten Rita und Tova gegeben habe. Holocaust-Überlebende haben oft große Angst, dass ihre Geschichten und die darin enthaltenen Erfahrungen nach ihrem Tod ins Vergessen geraten. Rita und Tova haben mir ihr Vertrauen geschenkt, und ich habe ihnen dafür versprochen, dass ich meine Fähigkeiten dafür einsetzen werde, dass das nicht passiert.«
Radek Wegrzyns Dankesrede war geprägt von der tiefen Wertschätzung für die Frauen, die im Zentrum seines Films stehen.
»Dieser Preis gehört meiner Filmfamilie und den wunderbaren Frauen, die die Schrecken des Holocausts überlebt haben und uns zeigen, dass Schönheit und Hoffnung selbst in den tiefsten Abgründen der Menschheitsgeschichte existieren können.« Seine Worte machten deutlich, dass dieser Film mehr ist als nur eine Dokumentation – er ist eine Brücke der Erinnerung, die Generationen miteinander verbindet.
Der Ernst-Lubitsch-Preis 2024 würdigt damit nicht nur außergewöhnliche künstlerische Leistungen, sondern auch den unermüdlichen Einsatz für die Bewahrung von Erinnerungen an die wohl dunkelste Epoche der Menschheitsgeschichte.