Herr Tichbi, Herr Zylberberg, Ihr Vorstand soll abgewählt werden. Was ist passiert?
Tichbi: Wir haben dem Hamburger Abendblatt ein Interview zu dem Thema »Junge Juden in Deutschland« gegeben. Es ging unter anderem darum, welche Meinung wir zum Programm des deutsch-jüdischen Comedian Oliver Polak haben. In dem Gespräch haben wir uns ganz explizit gegen die Inhalte von Herrn Polaks Programm und die Art und Weise seines Umgangs mit dem Gedenken an die Schoa ausgesprochen. Wir waren also ganz entspannt und hatten positive Erwartungen. Als der Artikel erschien, haben wir uns allerdings die Augen gerieben. Statt unseres Interviews fand sich da ein Artikel, der sich zu zwei Dritteln mit dem Programm von Herrn Polak beschäftigte – ohne ihn infrage zu stellen. Daruntergemischt dann eine kleine Auswahl unserer Zitate, und zwar nicht die gegenüber Polak kritischen, sondern alles, was in die Tendenz des Artikels passte, nämlich den Eindruck zu vermitteln, es gäbe eine junge jüdische Generation, die mit Polak übereinstimmt. Noch schlimmer finden wir es, unsere Namen und Zitate zwischen Aussagen wiederzufinden, die einfach nur katastrophal sind.
Welche Reaktionen gab es?
Tichbi: Positive Reaktionen kamen von Leuten, die unsere Einstellungen kennen. Dann gab es auch viele, die uns Fragen gestellt haben.
Zylberberg: Die meisten dieser Menschen kennen uns von Geburt an – wir sind ja in dieser Gemeinde aufgewachsen. Sie kennen auch das Schicksal unserer Familien während der Schoa. Sie haben nachgefragt, und wir konnten das klären. Dann gibt es leider noch eine kleine Gruppe, die kein Gespräch mit uns gesucht hat. Stattdessen hat sie den Artikel genutzt, um eine Welle von Beschuldigungen über uns niedergehen zu lassen, die sehr geschmacklos waren. Ich möchte das hier gar nicht wiedergeben. Unter dem Strich steht die Behauptung, wir wären gegen den Staat Israel eingestellt und würden den Holocaust verharmlosen. Das ist grotesk.
Und jetzt wird Ihr Rücktritt gefordert?
Zylberberg: Von einer Gruppe wurde eine Unterschriftenliste organisiert, die aufgrund dieser Unterstellungen eine Abwahl des ganzen Gemeindevorstands und des Beirats fordert. Um es kurz zu sagen: Wir haben Schwierigkeiten mit einem Journalisten, der über das Modethema »Junge Juden wenden sich von der älteren Generation ab« schreiben wollte, und wir haben Ärger mit einigen unserer Gemeindemitglieder, die uns nicht unterstützen, sondern diesen Konflikt gemeindepolitisch einsetzen.
Was haben Sie denn gegen Oliver Polak? Satire darf doch alles.
Zylberberg: Völlig richtig, Satire ist frei. Aber ich kann trotzdem dazu eine Meinung haben. Ich halte das Programm von Herrn Polak nicht für Satire, die ja wohl politische Aussagen beinhaltet, für mich ist das Comedy.
Tichbi: Themen wie Israels Existenzrecht oder den Umgang mit der Schoa kann man nicht zu einem poppigen Bericht über einen Komiker mixen.
Was halten Sie von dem Modethema »Junge Juden in Deutschland«?
Tichbi: Ich denke, dass dieses Thema tatsächlich wichtig ist. Nach unserer Erfahrung mit dem Abendblatt-Artikel haben wir uns aber die Frage gestellt, ob hier vielleicht der Versuch unternommen wird, dieses Thema für eine neue Form der »Schlussstrich«-Debatte zu missbrauchen. Es wird ja an manchen Stellen so dargestellt, als wolle die »junge jüdische Generation« alles umkrempeln und jetzt auf einmal infrage stellen, ob es noch nötig sei, des Holocausts in der bisherigen Form zu gedenken. Das ist nicht der Fall, und dass man das deutlich machen muss, ist traurig genug.
Mit dem Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg, David Tichbi, und dem Beiratsvorsitzenden Daniel Zylberberg sprach Yohana Hirschfeld.