Hamburg

»Als würden wir den Holocaust verharmlosen!«

In der Kritik: Daniel Zylberberg (l.) und David Tichbi Foto: Yohana Hirschfeld

Herr Tichbi, Herr Zylberberg, Ihr Vorstand soll abgewählt werden. Was ist passiert?

Tichbi: Wir haben dem Hamburger Abendblatt ein Interview zu dem Thema »Junge Juden in Deutschland« gegeben. Es ging unter anderem darum, welche Meinung wir zum Programm des deutsch-jüdischen Comedian Oliver Polak haben. In dem Gespräch haben wir uns ganz explizit gegen die Inhalte von Herrn Polaks Programm und die Art und Weise seines Umgangs mit dem Gedenken an die Schoa ausgesprochen. Wir waren also ganz entspannt und hatten positive Erwartungen. Als der Artikel erschien, haben wir uns allerdings die Augen gerieben. Statt unseres Interviews fand sich da ein Artikel, der sich zu zwei Dritteln mit dem Programm von Herrn Polak beschäftigte – ohne ihn infrage zu stellen. Daruntergemischt dann eine kleine Auswahl unserer Zitate, und zwar nicht die gegenüber Polak kritischen, sondern alles, was in die Tendenz des Artikels passte, nämlich den Eindruck zu vermitteln, es gäbe eine junge jüdische Generation, die mit Polak übereinstimmt. Noch schlimmer finden wir es, unsere Namen und Zitate zwischen Aussagen wiederzufinden, die einfach nur katastrophal sind.

Welche Reaktionen gab es?

Tichbi: Positive Reaktionen kamen von Leuten, die unsere Einstellungen kennen. Dann gab es auch viele, die uns Fragen gestellt haben.

Zylberberg: Die meisten dieser Menschen kennen uns von Geburt an – wir sind ja in dieser Gemeinde aufgewachsen. Sie kennen auch das Schicksal unserer Familien während der Schoa. Sie haben nachgefragt, und wir konnten das klären. Dann gibt es leider noch eine kleine Gruppe, die kein Gespräch mit uns gesucht hat. Stattdessen hat sie den Artikel genutzt, um eine Welle von Beschuldigungen über uns niedergehen zu lassen, die sehr geschmacklos waren. Ich möchte das hier gar nicht wiedergeben. Unter dem Strich steht die Behauptung, wir wären gegen den Staat Israel eingestellt und würden den Holocaust verharmlosen. Das ist grotesk.

Und jetzt wird Ihr Rücktritt gefordert?

Zylberberg: Von einer Gruppe wurde eine Unterschriftenliste organisiert, die aufgrund dieser Unterstellungen eine Abwahl des ganzen Gemeindevorstands und des Beirats fordert. Um es kurz zu sagen: Wir haben Schwierigkeiten mit einem Journalisten, der über das Modethema »Junge Juden wenden sich von der älteren Generation ab« schreiben wollte, und wir haben Ärger mit einigen unserer Gemeindemitglieder, die uns nicht unterstützen, sondern diesen Konflikt gemeindepolitisch einsetzen.

Was haben Sie denn gegen Oliver Polak? Satire darf doch alles.

Zylberberg: Völlig richtig, Satire ist frei. Aber ich kann trotzdem dazu eine Meinung haben. Ich halte das Programm von Herrn Polak nicht für Satire, die ja wohl politische Aussagen beinhaltet, für mich ist das Comedy.

Tichbi: Themen wie Israels Existenzrecht oder den Umgang mit der Schoa kann man nicht zu einem poppigen Bericht über einen Komiker mixen.

Was halten Sie von dem Modethema »Junge Juden in Deutschland«?

Tichbi: Ich denke, dass dieses Thema tatsächlich wichtig ist. Nach unserer Erfahrung mit dem Abendblatt-Artikel haben wir uns aber die Frage gestellt, ob hier vielleicht der Versuch unternommen wird, dieses Thema für eine neue Form der »Schlussstrich«-Debatte zu missbrauchen. Es wird ja an manchen Stellen so dargestellt, als wolle die »junge jüdische Generation« alles umkrempeln und jetzt auf einmal infrage stellen, ob es noch nötig sei, des Holocausts in der bisherigen Form zu gedenken. Das ist nicht der Fall, und dass man das deutlich machen muss, ist traurig genug.

Mit dem Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg, David Tichbi, und dem Beiratsvorsitzenden Daniel Zylberberg sprach Yohana Hirschfeld.

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025

Emanzipation

»Die neu erlangte Freiheit währte nur kurz«

Im Münchner Wirtschaftsreferat ist eine Ausstellung über »Jüdische Juristinnen« zu sehen

von Luis Gruhler  18.02.2025

Portät der Woche

Magische Momente

German Nemirovski lehrt Informatik und erforscht den Einsatz Künstlicher Intelligenz

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.02.2025