Als 1870 noch rund 600 Juden in Ulm lebten und im angemieteten Saal eines Gasthauses Gottesdienste und Religionsunterricht abhielten, plante die Gemeinde eine neue Synagoge. Sie veranschlagte dafür rund 35.000 Gulden. Als drei Jahre später der Neubau auf dem Weinhof feierlich eingeweiht wurde, hatte das Projekt rund 100.000 Gulden verschlungen. Mit Blick auf ähnliche Baupläne im benachbarten Heilbronn warnte die Zeitschrift »Der Israelit« damals davor, den Bau beginnen zu lassen und empfahl erst einmal Einsparungen: »Man wird sich nach der Decke strecken und mit einem kleinen Heiligtum begnügen müssen.«
Auch jetzt gibt es wieder warnende Stimmen. Denn in Ulm, wo die Gemeinde nach eigenen Angaben derzeit rund 300 Mitglieder zählt, wird erneut eine Synagoge geplant – an historischer Stelle. Der Vorgängerbau wurde 1938 von den Nazis zerstört.
Mehrkosten Es soll nach dem Entwurf der Kölner Architektin Susanne Gross ein 17 Meter hoher kubischer Bau errichtet werden. Darin ein Gebetsraum mit 132 Plätzen, ein Mehrzwecksaal, Schulungs- und Verwaltungsbüros sowie ein Raum für eine Kindertagesstätte. Veranschlagte Baukosten: 4,5 Millionen Euro. Doch gibt es Befürchtungen, die Gesamtkosten könnten bis auf 7 Millionen Euro klettern.
Ulm ist eine Zweigstelle der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) in Stuttgart. Diese kann maximal 1,5 Millionen beisteuern. IRGW-Repräsentant Martin Widerker meldet Bedenken an. Er habe nichts dagegen, eine große Synagoge zu bauen. »Wenn das Geld da ist, warum nicht?« Aber da die Finanzierung nicht geklärt sei, solle man lieber abwarten oder von vornherein etwas kleiner planen.
Harmoniesuche Angesichts der riesigen Finanzlücke hält er den Synagogenbau für überdimensioniert. Auch zu diesem Problem schreibt der Israelit vor 140 Jahren. Denn schon damals machte man sich ähnliche Gedanken: »Vielleicht wird ein kleinerer Betsaal besser harmonieren als das projektierte Prachtgebäude«, hieß es.
Vorstandssprecherin Barbara Traub räumt zwar ein, dass man ein »recht ehrgeiziges Ziel« verfolge, aber Ulm brauche eine Synagoge. Der dortige Rabbiner Shneur Trebnik pflichtet ihr bei. Derzeit treffe man sich zum Gebet in einer Privatwohnung. »Doch eine Gemeinde sollte ihren Mitgliedern einen würdigen Platz zum Beten anbieten können.«
Widerker und drei weitere Repräsentanten wollen die Notbremse ziehen, bevor am 17. März der offizielle Spatenstich erfolgt. Sie werfen dem Vorstand satzungswidrige Entscheidungen vor und fordern »neue und realistische Planungen«.
Zwischenfinanzierung Davon will Barbara Traub nichts wissen. »Wir haben uns inzwischen erfolgreich bemüht, die Kosten zu reduzieren«, sagt sie. »Ich halte es für durchaus realistisch, die Finanzierungslücke zu füllen.« Mit Zwischenfinanzierung, Spenden und Fördergeldern sei dies zu schaffen.
Die Fronten in der IRGW-Repräsentanz scheinen verhärtet. Nichts Neues. Der Israelit schrieb 1867: »Die Erfahrung der Neuzeit, dass Synagogenbauten nach modernem Stil in der Regel Zank, Hader und Spaltung in den Gemeinden hervorrufen, scheint sich auch in der hiesigen jungen Synagogengemeinde zu bewähren.«
Im 93 Kilometer entfernten Ulm hofft Rabbiner Trebnik unterdessen, dass es nicht zu Zank und Hader kommt. Er ist zuversichtlich, dass die Finanzierung zu stemmen ist. Und dabei verweist er auf ein kirchliches Beispiel: das Ulmer Münster. Schließlich hätten dafür die Bürger der Stadt damals auch tief in die Tasche gegriffenen. Nachdem die riesige Kirche schon nach der Grundsteinlegung als Rekordbau galt, notierte im 15. Jahrhundert der Dominikanermönch Felix Fabri, dass »in Ulm die Spendenfreude der Bürger größer als sonst wo« sei. »Ich hoffe, dass sich Geschichte auch in so positivem Sinne wiederholen kann«, meint Trebnik.