Mit den Hohen Feiertagen taucht auch eine besondere Spezies Mensch wieder auf: der Dreitagejude. Der Anbruch des neuen Jahres und die Verheißung, eventuell doch ins »Buch des Lebens« eingetragen zu werden, lässt viele Juden sentimental werden und treibt sie in die Synagogen. Für die Gemeinden bedeutet das einen ungewohnt großen Andrang auf die Gottesdienste zu den Hohen Feiertagen. Und darauf müssen sie sich vorbereiten. Aber wie?
Aus der Sicherheitsperspektive betrachtet bedeutet das höchstens eine höhere Anzahl an Wachleuten. Denn den professionellen Sicherheitsbeauftragten bringt ohnehin kein »Massenandrang« aus der Ruhe. Schließlich funktioniert das alltägliche System: Bevor unbekannte Beter eingelassen werden, müssen sie die Sicherheitsmänner von ihrer guten Absicht überzeugen und den Inhalt der Taschen offenbaren.
Zudem steht in den meisten Gemeinden die Polizei bei der Bewachung hilfreich zur Seite: »Wenn Unbekannte kommen, kontrolliert unser Pförtner die Taschen, und die Polizei nimmt sich die Personalausweise vor«, sagt Daniel Neumann, Geschäftsführer der Gemeinde Darmstadt. Die Gemeinde in Dresden muss auf polizeiliche Unterstützung – abgesehen vom normalen Streifendienst – verzichten.
Vorsitzende Nora Goldenbogen bucht für die Feiertage so viel Personal, dass »der Sicherheitsstandard eingehalten wird«, sich die Gemeinde finanziell aber auch nicht übernimmt. »Wir müssen unseren Sicherheitsdienst selbst bezahlen«, sagt sie. Und Synagogenkarten, die das finanzielle Polster aufbessern könnten, werden in Dresden, anders als in den ganz großen Gemeinden, auch nicht verkauft. Problematisch habe sich die Einlasskontrolle aber noch nie gestaltet, versichert Goldenbogen.
Die Grünen Auch in Mainz wissen die Sicherheitsleute im Großen und Ganzen, wer zur Gemeinde gehört – und wer nicht. Für Zweifelsfälle steht eine Mitarbeiterin zur Verfügung, »die wirklich jeden kennt«, sagt Gemeindevorsitzende Stella Schindler-Siegreich. Wie gut die Gesichtskontrolle funktioniert, zeigte sich im vergangenen Jahr an Rosch Haschana.
Da kam eine Delegation der Partei Die Grünen nicht am Wachpersonal vorbei. »Die wollten sich die neue Synagoge anschauen und wussten gar nicht, dass gerade Gottesdienst ist«, sagt Schindler-Siegreich. Sie habe die Gruppe aufgeklärt und so landeten Cem Özdemir & Co. am Kiddusch-Tisch. Die Synagogenführung gab’s dann frisch gestärkt.
Dafür, dass dieser gedeckt ist, sorgen Mitarbeiter der Gemeinde. »Die Kosten sind fest im Gemeindebudget eingeplant«, sagt Schindler-Siegreich. Für den Kiddusch und das Anbeißen am Jom Kippur-Abend in Darmstadt sorgt Gemeindehausmeister Henry Czechovski. »Er macht das schon seit Jahrzehnten. Und sehr gut«, lobt Mila Cheryavska, Sekretärin der Gemeinde.
Auch Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Gemeinde Gelsenkirchen, ist vorbereitet: »Wir haben in der großen Runde besprochen, was wir servieren wollen«, sagt sie. Nun wird geordert und eingekauft, auch die Bäckerei, die koscher für die Gemeinde backt, hat ihre Bestellung bereits erhalten. In Dresden teilen sich die Gemeindeköchin und freiwillige Helfer das Kochen und Anrichten.
XXL-Kiddusch Duisburg trifft die Vorbereitungen intern, für den XXL-Kiddusch wird ohnehin ein Catering bestellt: Rund 250 Personen erwartet Michael Rubinstein, wenn die Gemeinde am 4. Oktober im Festsaal einen Neujahrsempfang für Politik, Gesellschaft und ihre Mitglieder gibt.
Das Allerwichtigste ist mittlerweile auch erledigt: Die Gemeinde in Mainz hat einen Kantor gefunden. Alle anderen sind grundversorgt: In Dresden übernimmt in Personalunion der sächsische Landesrabbiner Salomon Almekias-Siegl das Vorbeten, in Duisburg amtiert Rabbiner Yaacov Zinvirt, und auch Darmstadt hat seinen eigenen Kantor. Gelsenkirchens Rabbiner Chaim Kornblum darf an den Hohen Feiertagen sogar hin und wieder durchatmen: Er wird sich die Gottesdienste mit einem Kantor teilen.
Außerdem wurde und wird derzeit in allen Synagogen gründlich geputzt, die Fächer an den Sitzplätzen werden überprüft und die Vorhänge gegen weiße Exemplare ausgetauscht. In Gelsenkirchen wird gar noch rasch repariert: Ein Zeigestab ist zerbrochen.
Und weil die Zeit nach Jom Kippur drängt, sind auch die Arba Minim bereits bestellt. Zudem laufen die Vorbereitungen für den Sukkabau: Die Gemeindeoberen sprechen mit Schreinern, Ehrenamtlichen, Jugendzentren- und Kindergartenleitern, die Jüngsten der Gemeinden malen und basteln. Schließlich ist im September und Oktober nach dem Feiertag immer auch vor dem Feiertag.