Berlin

Allein unter Männern

Gelernte Juristin: Sarah Serebrinski kümmert sich um Fundraising und Budget Controlling. Foto: Stephan Pramme

Sarah Serebrinski ist der Beweis dafür, dass man auch auf engstem Raum vieles bewegen kann. Ihr Büro ist winzig: ein Schreibtisch mit Computerbildschirm, davor ein Bürostuhl, rechts ein Schrank mit Aktenordnern, links ein Fenster. Wenn Sarah Serebrinski hinausschaut, blickt sie über den Innenhof geradewegs ins gegenüberliegende Beit Midrasch. Dort sieht sie die Männer aus der Jeschiwa und manchmal auch ihre Studenten, wie sie schockeln oder religiöse Dispute führen.

Finanzen Sarah Serebrinski ist Geschäftsführerin des orthodoxen Rabbinerseminars zu Berlin. Acht Studenten lernen dort, um sich, wie man auf der Webseite liest, »zu kenntnisreichen, aufgeschlossenen und weitsichtigen geistigen Führungspersönlichkeiten für die jüdischen Gemeinden in Deutschland« ausbilden zu lassen. Damit sie das hohe Ziel erreichen, ist viel Arbeit nötig, auch die Arbeit von Sarah Serebrinski.

Die 34-Jährige kümmert sich vor allem um Finanzen, um Fundraising, Budget Controlling (dass die Mittel entsprechend ausgegeben werden) und die Öffentlichkeitsarbeit des Seminars. Aber sie koordiniert auch das Curriculum. »Dabei unterstütze ich die drei Rabbiner, die sich inhaltlich darum kümmern und lehren«, sagt sie.

Neben den religiösen Fächern belegen die Rabbinatsstudenten den Studiengang Jüdische Sozialarbeit an der Fachhochschule Erfurt und müssen, wie Serebrinski sagt, »Schlüsselqualifikationen erwerben: Dazu gehören öffentliches Reden, der Umgang mit Journalisten, Kirchen- und Religionsrecht, ein bisschen Psychologie und das Wissen, wie man mit Menschen umgeht«. Die junge Frau schaut, mit welchen Dozenten das Seminar bereits zusammenarbeitet, welche neu gebraucht werden, und sie achtet darauf, dass sich die Termine für Unterrichtsstunden und Blockseminare nicht überschneiden.

Frausein Von Bekannten wird Sarah Serebrinski, die selbst nicht orthodox, aber sehr traditionell aufgewachsen ist, manchmal gefragt, wie das denn sei, als Frau in einem orthodoxen Rabbinerseminar zu arbeiten. »Man hat da offenbar ein falsches Verständnis von Orthodoxie«, sagt sie und zieht die Augenbrauen hoch. Es gebe doch auch Frauen, die Ärztinnen oder Anwältinnen sind. »Ich erlebe absolut keine Geringschätzung, weil ich eine Frau bin«, betont sie. »Man schüttelt mir zwar nicht die Hand, aber das habe ich vorher gewusst.«

Doch gesteht sie: »Ein bisschen Angst hatte ich am Anfang schon. Ich hatte die Befürchtung, es ist schon komisch, als Frau Geschäftsführerin zu sein, umgeben von Männern, die hier lehren und lernen. Vielleicht reden sie nicht mit mir oder haben Angst.« Heute kann sie über diese Bedenken nur lachen.

»Warum sollte eine Frau nicht Geschäftsführer unseres Rabbinerseminars sein«, wundert sich der Kuratoriumsvorsitzende Rabbiner Joshua Spinner. Es gebe keinen Grund, warum eine gut ausgebildete Frau den Job nicht bekommen sollte. »Sarah war die am besten qualifizierte Person, sie bringt gute Berufserfahrungen mit, erfüllt alle Voraussetzungen.« Schon ihre Vorgängerin sei eine Frau gewesen – und Juristin, genauso wie Sarah. »Die Studenten sind talmudische Juristen, und die Geschäftsführerin ist Juristin. Das passt doch gut«, sagt Spinner.

Dass es »gut passt«, sagt auch Sarah Serebrinski über ihren neuen Job, den sie im November angetreten hat. »Ich brachte den juristischen Hintergrund mit und hatte Erfahrungen im Erziehungsbereich.« Bevor sie zum Rabbinerseminar kam, war sie knapp vier Jahre lang Bildungsreferentin bei der Berliner Jüdischen Gemeinde. Davor hatte sie in einer internationalen Wirtschaftskanzlei gearbeitet, zuerst in London, dann in Berlin. Doch als sie heiratete, wollte sie da nicht länger bleiben. »In einer solchen Kanzlei sind Beruf und Familie kaum zu vereinbaren, da hat die Arbeitswoche 50 bis 60 Stunden – und wenn man vorankommen möchte, noch mehr«, sagt sie und schüttelt den Kopf, dass ihre dunklen Locken schwingen.

vereinbarkeit Sarah Serebrinski hat einen fünfjährigen Sohn und eine dreijährige Tochter. Ihren heutigen Job beschreibt sie als recht familienfreundlich. »Ich habe zwar häufiger auch mal abends zu tun«, sagt sie, »oder muss wegen der Zeitverschiebung ein Telefonat nach Amerika am späten Abend führen.« Aber sie könne auch sagen: Ich gehe jetzt um drei, weil ich meine Kinder abholen muss. »Im Rabbinerseminar hat man dafür Verständnis, in einer großen Kanzlei natürlich eher nicht«, sagt sie und lacht.

Obwohl Sarah Serebrinski es bei ihren Studenten mit 20- bis 30-Jährigen zu tun hat, sind ihre Qualitäten als Mutter manchmal auch im Rabbinerseminar gefragt. »Ich bin ihre Ansprechpartnerin in praktischen und mitunter auch in finanziellen Fragen«, sagt sie. »Manchmal habe ich den Eindruck, einige empfinden es als angenehm, dass ich als Frau helfe.«

Das bestätigt Student Benjamin Kochan: »Wir rufen oft spätabends bei Sarah an. Dass wir uns das trauen, zeigt, dass sie sehr fürsorglich ist. Frauen sind oft fürsorglicher. Und: Sarah hat viele Kontakte, sie kennt eine Menge Leute.« Das kommt offenbar daher, dass Sarah Serebrinski, wie sie sich selbst beschreibt, »ein Kind der Gemeinde« ist. Sie wurde 1978 in Düsseldorf geboren und wuchs dort auf. Ihr Vater saß im Vorstand der Gemeinde und stand an der Spitze jüdischer Organisationen.

Rabbiner Spinner freut sich über den Werdegang seiner neuen Mitarbeiterin. Begeistert sagt er: »Früher haben Sarahs Eltern in der jüdischen Gemeinde Verantwortung übernommen, und jetzt führt ihre Tochter das fort. Da sind Werte weitergegeben worden – das ist eine Erfolgsgeschichte.«

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