Bunte Luftballons und farbenfreudige Dekorationen – so war der Saal am Mittwochabend vergangener Woche zur Purim-Feier in einem Hotel an der Budapester Straße geschmückt. Dieser Hut fiel trotzdem auf: David Teichtal hatte das Banner »Stars and Stripes« auf ihm befestigt und versuchte, gegen die Geräuschkulisse anzusprechen, um aus der Megilla vorzulesen. Das jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch hatte unter dem Titel »Berlin meets Odessa« eingeladen. Mit dabei waren auch die 250 ukrainischen Flüchtlinge, die die Gemeinde aufgenommen hat. Die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
»Vor drei Wochen waren sie noch in einem Bunker und hörten Sirenen, nun feiern sie das Purimfest«, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal. »Was für ein wunderbares Zeichen.« Und er freut sich, dass alle – Gemeindemitglieder und Geflüchtete – ein paar unbeschwerte und fröhliche Stunden erleben und von ihren Erlebnissen in den vergangenen Wochen abgelenkt werden konnten.
Etwa 60 Flüchtlinge kamen in die Synagoge Tiferet Israel an der Passauer Straße.
Es gab Schminktische, eine Fotoecke und einen Tisch mit Geschenken. Jeder bekam eine Schachtel mit einer kleinen Aufmerksamkeit. »Wir sind dankbar für jede Unterstützung, die es uns ermöglicht, die Flüchtlinge aus der Ukraine gut unterzubringen«, so Teichtal. Am vergangenen Mittwochabend kamen noch 100 Geflüchtete und am Sonntag noch weitere 120 an, sodass nun fast 400 Ukrainer von Chabad betreut werden.
MEGILLA »Wir waren zusammen und haben gefeiert«, sagt Rabbiner Reuven Yaacobov. Etwa 60 Flüchtlinge kamen in die Synagoge Tiferet Israel an der Passauer Straße. Jeder habe eine kleine Box mit Geschenken erhalten, die die Beter vorher gepackt hatten. Süßigkeiten, Schokolade und eine kleine Megilla wahlweise auf Hebräisch, Russisch oder Deutsch waren eingepackt. Laut ging es auch bei dieser Feier zu, zu der etwa 200 Beter kamen. Täglich werden die Geflüchteten in der Synagoge mit koscherem Essen versorgt, sagt der Rabbiner.
Seine beiden Großväter haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, während sein Urgroßvater in Usbekistan Menschen mit Essen versorgte. »Jetzt bin ich an der Reihe«, sagt der Rabbiner.
Ferner werden jüdische Flüchtlinge, die derzeit in einer Sporthalle untergebracht sind, ebenfalls mit koscherem Essen beliefert. »Aktuell suchen wir große Küchen, am liebsten eine Hotelküche, sodass wir die Speisen zubereiten können.« Denn es werden immer mehr Flüchtlinge, die versorgt werden müssen. Und Rabbiner Yaacobov betont: »Alle Berliner Synagogen helfen.« Zu Purim, fügt er noch hinzu, ist er – wie jedes Jahr – als Mordechai gegangen.
LÄRM Auch in der Synagoge Fraenkelufer wurde gefeiert. »Gäste aus der Ukraine haben mit uns gefeiert«, berichtet Nina Peretz. Für alle Kinder gab es Geschenkschachteln mit Süßem und Purim-Ratschen. Immerhin war es auch seit zwei Jahren die erste Purim-Feier in Präsenz. »Es war einfach wunderbar, die Synagoge endlich wieder voller Lärm und Leben zu haben.« 50 Kinder waren verkleidet gekommen. Ein Höhepunkt war das Theaterspiel des Fraenkelufer-Ensembles.
Die Schüler des jüdischen Religionsunterrichts der John-F.-Kennedy-Schule haben »richtig geschuftet«, sodass die Lehrerin Sarit Friedman rechtzeitig vor Purim 300 Mischloach Manot, Geschenke zu Purim, im Gemeindehaus für die Geflüchteten überreichen konnte. »Ich kam mit dem Packen gar nicht mehr hinterher, so viele Spenden hatten die Kinder mitgebracht«, so die Lehrerin.
Manche Eltern seien extra noch zu einem koscheren Supermarkt aufgebrochen, um Süßigkeiten einzukaufen.
Manche Eltern seien extra noch zu einem koscheren Supermarkt aufgebrochen, um Süßigkeiten einzukaufen. Andere Familien haben noch Hamantaschen gebacken. »Ich hoffe, wir konnten vielen Kindern eine kleine Freude bereiten«, so Sarit Friedman.
Auch in der Synagoge Pestalozzistraße standen Geschenktüten für alle Kinder bereit, die zu Purim kamen. Die Mitarbeiter vom Mitzwa-Express sind schon beim nächsten Fest: »Wir bereiten gerade die Essensaktion für Pessach vor«, so Dagmar Otschik.