Als Insa Hörnle vor 16 Jahren von Göttingen nach Schortens umziehen wollte, wurde ihr dort eine Wohnung im Lebensborner Weg/Ecke Waldstraße angeboten. Gott sei Dank habe die Adresse Waldstraße gelautet, stellte sie erleichtert fest. Im Lebensborner Weg habe sie nicht wohnen wollen, sagt die heutige Lehrerin am Mariengymnasium.
Ihre Irritation konnte man in Schortens nicht nachvollziehen. Auch die Stadtverwaltung reagierte mit Unverständnis, als Hörnle mal vorsichtig nachfragte, ob man den Namen nicht ändern wolle. Lebensborn sei eine Gartensiedlung gewesen. Hörnle wollte nicht gleich als Besserwisserin in ihrer neuen Nachbarschaft dastehen und beließ es bei der Anfrage.
unterrichtsthema Als im Herbst 2010 durch eine Privatinitiative eine Umbennung der Straße neu aufgegriffen wurde, nahm Hörnle die Problematik der von den Nazis propagierten rassenhygienischen Geburtenbeförderung als Unterrichtsthema auf. »Wir haben viel recherchiert, gelesen und diskutiert über das Thema.
Die Schüler werden einen solchen Begriff nicht leichtfertig benutzen, da bin ich mir sicher«, sagt sie der Jüdischen Allgemeinen. Für sie sei der Begriff genauso wie etwa »Arbeit macht frei«, oder »Kraft durch Freude« besetzt. »Das darf man heute nicht benutzen«, sagt Hörnle.
Auch Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, bezeichnete den Namen »Lebensborn« als »verbrannt«. »Wir haben heute auch keine »Wehrmacht« mehr und Autokennzeichen mit »SS« gibt es auch nicht mehr.« Man habe versäumt, sich kundig zu machen, kritisiert Schumann.
Im Juni veranstaltete die Stadt eine Bürgerbefragung zur Umbenennung der Straße. Im Rathaus baute die Stadtverwaltung bebilderte Schautafeln auf, die den heimatkundlichen Bezug des Straßennamens wie auch die SS-Organisation »Lebensborn« darstellen sollten.
Bestückt sind diese mit einem Auszug aus Johannes Eders »Die Orts- und Flurnamen in der Gemeinde Schortens« aus dem Jahr 1930, dem Emblem der Gartensiedlung und dem gemütlich Meerschaumpfeife rauchenden Eder und dem Hinweis, die Gartensiedlung »Lebensborn« sei aus einem ehemaligen Bauernhof entstanden. Unerwähnt bleibt, dass die Straße erst 1951 ihren Namen erhielt.
gegenüberstellung Die Darstellung der SS-Organisation »Lebensborn« kommt ebenso sauber daher: adrett eingerichtete Geburtsstationen in wunderschön gelegenen Landhäusern – die Bilder der NS-Propaganda nur mit einem kurzen Text versehen – kaum etwas, das zu der Erkenntnis anregt, dass eine Flurbezeichnung gleichen Namens heute unmöglich sein müsste.
Am 21. Juni gab Bürgermeister Gerhard Böhling bekannt, der Verwaltungsausschuss habe nach Anhörung und Nachbarschaftsvotum beschlossen, den Wegenamen nicht zu ändern. Die Diskussion um den »Lebensborner Weg« sei damit von öffentlicher Seite entschieden. Insa Hörnle kann die Anwohner nicht verstehen. Sie lebt schon lange im benachbarten Jever.