Noa reißt die Arme nach oben. »Mashiach, Mashiach, Mashiach«, singt sie laut im Takt des bekannten Liedes mit. So wie die vielen anderen Besucher der »Chanukka Hebrew Language Week«-Party am Samstagabend im Sophienclub. Die Bässe der Songs dröhnen durch den schmalen Club, junge Leute drängeln sich gekonnt an der Bar vorbei, um in den etwas ruhigeren Bereich zu kommen und sich zu unterhalten. Zu erzählen gibt es viel, denn der vorausgegangene Vortrag über israelischen Film hallt bei den Besuchern der Party immer noch nach.
»Wir haben uns schon die ganze Woche auf das Event gefreut, denn es ist ja das erste Mal, dass es die Hebrew Week in Berlin gibt«, sagen Alex und seine Freundin Maya. Die beiden Studenten wollen sich aber gar nicht lange an dem kleinen Tisch aufhalten.
An der Theke vorbei, noch eine Sufgania aus der Aluschale gegriffen, zieht es die beiden wieder auf die Tanzfläche, denn unter die Klassiker der israelischen Popmusik mischen sich langsam auch Hip-Hop-Klänge. Und darauf, das muss Alex vorher noch loswerden, »stehen wir beide«.
Wer nicht gerade tanzt oder es sich bei Falafel und Pita gutgehen lässt, der kann sich in aller Ruhe über die Grundregeln des Dreidel-Spiels informieren. Denn die sind auf den Tischen und an der Bar ausgelegt, werden aber eher als Getränkeuntersetzer verwendet. Rotem Malach, Organisator der Party, ist zufrieden: »130 Gäste sind gekommen, und es war ganz toll.«
Potsdamer Platz Nicht unbedingt ruhiger, aber etwas vornehmer ging es beim Chanukkaball im Hotel Hyatt zu. Nur wenige Schritte vom Weihnachtsmarkt am Potsdamer Platz entfernt freuen sich die Veranstalter des Abends, Vernen Liebermann und Daniel Stern, über einen ausverkauften Saal. Seit fünf Jahren organisieren die beiden Berliner den Chanukkaball nun schon. Trotz des Umzugs in eine größere Location in diesem Jahr sind »alle Karten weg«.
Sie hätten es so schade gefunden, dass die Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde irgendwann einfach nicht mehr stattfand, erzählen Liebermann und Stern, »und da dachten wir, dass es nun eben an der Zeit ist, aktiv zu werden. Auch, um zu zeigen, dass die junge Generation etwas zurückgibt«. Der Ball soll natürlich auch eine Kontaktmöglichkeit sein, »und zwar für alle«, wie Liebermann betont: »Wir wollen das Judentum im Hier und Jetzt zelebrieren, ohne Solidaritätsaufrufe, ohne Bitten um Spenden, wir nehmen einfach jeden mit, der Bock drauf hat.«
Plötzlich sei Chanukka auch bei Nichtjuden ein Thema. »Man redet darüber, und das ist doch toll.« Sogar sein Zahnarzt habe ihn kürzlich während der Behandlung auf den Ball angesprochen, berichtet Liebermann ein wenig stolz. »Er wusste gar nicht, dass ich damit zu tun habe, sondern erzählte, dass die Veranstaltung ja ein Muss sei.« Und Daniel Stern sagt, dass er noch kurz vor Beginn des großen Events von Leuten angerufen wurde, die viel Geld für Karten boten.
»Es ist so wunderbar festlich und doch so locker hier«, freut sich eine ältere Dame. »Die Dekoration, die Speisen, die Musik, man bekommt gleich gute Laune«. Das sieht man auch in der Raucherlounge so – könnte man denn etwas sehen. In dichten Schwaden steht man in kleinen Gruppen und bricht immer mal wieder in Begeisterungsrufe aus: »Na, dich hab’ ich ja ewig nicht gesehen.«
spass Rabbiner Yehuda Teichtal hat den Chanukkaball von Anfang an unterstützt. Teichtal aus dem Saal nach draußen zu begleiten, erweist sich als schwierig – immer wieder bleibt er stehen, um jemanden zu begrüßen oder sich kurz auf die Tanzfläche ziehen zu lassen. »Eine super Sache!«, strahlt er später atemlos. »Berlin ist wieder so voll mit Jüdischkeit, ob orthodox, liberal, es spielt keine Rolle, wir feiern miteinander – und so soll es auch sein.«
Sogar das Servicepersonal hat Spaß. »Ich habe extra gestern bei Wikipedia nachgeschaut, was Chanukka ist, man will ja bei so einem Event nichts falsch machen. Dass ein religiöses Fest so viel Spaß machen kann, stand da aber nicht«, sagt eine junge Frau, und ihr Security-Kollege fügt hinzu: »Ich habe heute etwas gelernt: nämlich, dass Juden verdammt gut Party machen können.« Für die rund 470 Gäste wurde es eine lange Nacht. Und für Liebermann und Stern gibt es nur eine kurze Pause, denn nach dem Ball ist vor dem Ball, wie die beiden erklären: »Im Prinzip laufen die Vorbereitungen für das nächste Jahr seit Montag.«
Mehr Besucher als erwartet kamen zum Chanukkabasar der Synagoge Pestalozzistraße, weshalb bereits am frühen Nachmittag das Büfett leer war. Aber das hatte auf die Atmosphäre keinen Einfluss. »Endlich mal wieder ein schöner Basar. Ich habe Spiele für meine Kinder gekauft«, sagt Eva Grünberg, die sich viel Zeit nahm, um alle Trödel-, Judaica-, Kunst- und Bücherstände genauestens zu inspizieren.
Luftballons Nun steht die 38-Jährige vor dem Stand mit Keramik und überlegt, ob sie noch einen schönen Teller braucht. Die obere Etage des Gemeindehauses hatte sich am Sonntag in einen Basar verwandelt. Bunte Luftballons hängen an den Wänden, im Großen Saal gibt es Live-Musik verschiedenster Stilrichtungen und Informations- sowie Kunststände. Im kleinen Saal wird »getrödelt«, auf dem Flur sind der Essensstand und eine Espresso-Bar aufgebaut, und im ehemaligen Restaurant wird eine Kinderbetreuung angeboten.
Später wurden die Chanukkalichter mit Rabbiner Tuvia Ben-Chorin und Kantor Isaac Sheffer gezündet. »Mit so vielen Besuchern hatten wir gar nicht gerechnet«, sagte Dagmar Otschik, die mit einem sechsköpfigen Komitee die Organisation übernommen hatte.
Vor fast einem Jahr hatte sie die Idee, einen Trödelmarkt zu machen, da die Synagoge Pestalozzistraße dringend Geld für die Restaurierung ihres Gotteshauses braucht. Es fehlen noch etwa 300.000 Euro, sagt Henryk Birnbach vom Synagogenvorstand. Aus dem Trödelmarkt wurde nun ein Chanukkabasar, der über 1000 Besucher anzog.
Etliche Beter hatten Sachen gespendet, andere holten sie ab und sortierten sie. Am vergangenen Freitag wurde schließlich alles ins Gemeindehaus transportiert und gegen Spenden angeboten. Etwa 50 Helfer waren im Einsatz. Zusätzlich gab es eine Kunstauktion, bei der auch der Berliner Maler Pavel Feinstein und der Fotograf Benyamin Reich ihre Werke zur Verfügung stellten. Insgesamt kam laut Birnbach eine »hohe vierstellige Summe zusammen«. Das, sagte er, sei erst der Auftakt. »Wir planen noch mehr Aktionen.«
Geschichte Schon vier Tage vorher waren die Kinder der Gemeinde-Kita in der Delbrückstraße aufgeregt. Am vergangenen Donnerstag saßen sie, festlich angezogen, zusammen und warteten ungeduldig auf das Kerzenzünden. Während die größeren Kinder die Geschichte vom Chanukkawunder szenisch aufführten, sangen die kleineren Lieder dazu.
Als besondere Gäste kamen Rabbiner Yitshak Ehrenberg und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe. Es sei ein großer Tag für die 160 Kinder gewesen, sagte die Leiterin der Kita, Marina Parhomovski. (mit kat)