Die Abfalleimer stehen im Weg. Xenia Fuchs schüttelt den Kopf. »Die stören doch, und es sieht nicht gerade einladend aus«, sagt sie. Obwohl sie sich als Leiterin des Jugendzentrums Olam an der Joachimstaler Straße bereits verabschiedet hat, muss sie die Mülleimer doch noch wegstellen. Am Sonntag fand die erste Casting-Show für die nächste Jewrovision statt – in diesem Jahr ohne die 28-Jährige.
»Ich habe mich ausgeruht und mir einen faulen Sonntag gemacht – das kenne ich schließlich gar nicht«, sagt sie. Ein bisschen komisch sei es schon gewesen. »Für mich ist es ein großer Schritt, zu gehen und mein Baby Olam zurückzulassen«, sagt sie. Sie will sich nun um ein Referendariat als Grundschullehrerin bewerben, am liebsten an einer jüdischen Schule.
Tanzgruppe Mit knapp acht Jahren kam Xenia mit ihrer Familie von Moskau nach Berlin. Eine der ersten Anlaufstellen war für sie damals das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde, vor allem die Tanzgruppe Gita. Von der Steglitzer Grundschule wechselte sie zur Jüdischen Oberschule und stellte bald fest, dass sie einen guten Draht zu Kindern hatte. Bald gab sie Nachhilfeunterricht.
Auf den Machanot der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland lernte sie das Judentum erst richtig kennen. »In meiner Heimat wurde kaum über die Religion gesprochen.« Ehrenamtlich half sie im Jugendzentrum, bis sie schließlich gefragt wurde, ob sie die stellvertretende Leitung übernehmen könnte. »Ich wollte weitergeben, was ich selbst bekommen hatte.«
Als vor vier Jahren die damalige Leiterin ging, übernahm sie erst einmal kommissarisch die Führung und bewarb sich dann auf die ausgeschriebene Stelle. »Wir hatten ein schlechtes Image, standen im Ruf, dass bei uns nur Russisch gesprochen wird«, erzählt sie, »und niemand kam.«
Ehrenamt »Xenia hat das Jugendzentrum aus dem Koma geholt«, sagt Tatjana Vidanova, die sich jahrelang im Jugendzentrum ehrenamtlich engagiert hat. Xenia sei ein Stehaufmännchen und habe trotz vieler Schwierigkeiten immer weitergemacht. »Wenn ich sie als Freundin traf, hatte sie immer nur ein Thema: das Jugendzentrum.«
Immerhin gab es Madrichim, die Xenia in der schwierigen Zeit unterstützten, und so boten sie erst einmal einen Tag der Offenen Tür an, stellten ein Programm auf die Beine und schrieben Briefe an die Eltern. »Ich freute mich über jedes Kind.« Und die brachten wiederum Freunde mit, bald gab es Kinder und Jugendliche, mit denen Pessach, Purim und Chanukka gefeiert werden und die Peulot am Sonntag stattfinden konnten. Die Jewrovision erwies sich als Glücksfall und Magnet. Etwa 1.100 Kinder gehören der Gemeinde an, und mehr als 100 seien regelmäßig im Olam.
»Am wichtigsten war es, wieder einen Ort für jüdische Kinder und Jugendliche zu schaffen, in dem sie ihre Freizeit verbringen können«, betont sie. Sie hingegen habe kaum über freie Zeit für sich verfügt. Es mussten die Abrechnungen gemacht, Räume dekoriert oder nach Partys noch aufgeräumt werden, damit am nächsten Tag alles in Ordnung war, wenn das Jugendzentrum öffnete. »Ich war immer mit meiner ganzen Kraft dabei. Ich blicke voller Stolz zurück.«