Sigrid Wolff (67)
Sozialmanagerin und Leiterin des jüdischen Seniorenheims, Berlin
Es wäre schön, wenn ich es schaffen könnte, ein paar Kilogramm loszuwerden und mich gesünder zu ernähren. Ich muss sagen, dass ich mich auf das neue Jahr freue, denn meine jüngste Tochter wird heiraten, und ein Enkel feiert Barmizwa. Zu den Feiern wird auch meine älteste Tochter mit ihrer Familie aus Los Angeles anreisen. Ansonsten nehme ich mir wie jedes Jahr vor, mich für die Bewohner des Heimes einzusetzen und ihnen ihre letzten Jahre auch mit interessanten Veranstaltungen zu verschönern. Ich möchte ein offenes Ohr für sie haben und ihnen bei ihren Sorgen helfen. Ein großes Thema ist derzeit die Angst vor der Energieknappheit in den nächsten Monaten. Und auch ich als Leiterin muss mir Gedanken machen und auf alle möglichen Notfälle vorbereitet sein, wenn beispielsweise der Strom ausfallen sollte. Corona beschäftigt uns auch noch, und wir Mitarbeiter tragen selbst an den heißesten Sommertagen unsere Masken. Ich denke, dass wir gerade keine schöne Zeit haben. Ich würde gerne dazu beitragen, dass Frieden herrscht, aber ich weiß nicht wie. Vielleicht schon damit, im Kleinen Frieden zu machen und sich zu versöhnen? Mir hilft, auf meine Familie zu schauen und den heutigen Tag zu genießen. Das möchte ich auch im nächsten Jahr.
Dennis Finkenstein (20)
Student, Berlin
Dieses Jahr nehme ich mir nicht viel vor, weil ich meine Ideen vom vergangenen noch gar nicht abgeschlossen habe. Damals überlegte ich mir, mehr zu trainieren, und zwar Calisthenics. Das ist ein Work-out, bei dem man nur mit seinem eigenen Körpergewicht arbeitet. Man muss nicht unbedingt viel, aber regelmäßig Übungen machen. Ich komme jetzt ins dritte Semester Wirtschaftsinformatik – und manchmal bin ich erstaunt, wie viel ich für das Studium lesen muss. Mir kommt es so theoretisch vor, dass ich mir noch einen Job in diesem Bereich gesucht habe. Für ein Office entwickle ich nun ein Businessmanagement. Dadurch lerne ich auch viel. Mir ist es wichtig, gute Taten zu vollbringen. In der Gemeinde Barnim habe ich mich beispielsweise ehrenamtlich bei einem Projekt mit Flüchtlingen engagiert. Und Mizwot stehen bei mir auch in den nächsten Monaten auf dem Plan.
Judith Neuwald-Tasbach (63)
Gemeindevorsitzende, Gelsenkirchen
Auf meiner Agenda für die nächsten zwölf Monate stehen Sport, Reisen, Hobbys, Freunde treffen und mich im jüdischen Bereich fortbilden. Nach 22 Jahren kandidiere ich nicht mehr für den Vorsitz in der Gemeinde, denn ich träume davon, Zeit zu haben. Schon lange habe ich keinen Sport mehr gemacht, jetzt locken mich Yoga, Gymnastik und Golf. Letzteres kann ich in schöner idyllischer Landschaft genießen, wobei ich wahrscheinlich noch einmal bei null anfangen muss. Wenn ich mich derzeit mit Freunden verabreden will, muss ich in meinem Kalender nachschauen, wann es passen könnte. Nun freue ich mich, mit ihnen ohne Hektik etwas Schönes unternehmen zu können. Meine Mischpoche in Israel möchte ich auch besuchen, ebenso die in Kanada und in den USA. Was ich mir auch fest vorgenommen habe, ist, mit meinem Mann mit dem Wohnmobil durch Europa zu fahren und da anzuhalten, wo es uns gefällt. Wahrscheinlich wird es erst einmal in Richtung Norwegen und Dänemark gehen. Und warum nicht ein Fernstudium belegen in jüdischer Geschichte? Vieles interessiert mich.
Hanna Leo Pustilnik (16)
Schülerin, Dortmund
Ich wünsche mir, dass der Krieg in der Ukraine endlich aufhört. Da ich dort viele Verwandte habe, mache ich mir immer große Sorgen um sie. Natürlich habe ich Vorsätze. In der Schule zählen jetzt die Zensuren fürs Abitur, und ich bemühe mich, so viele Punkte wie möglich zu erzielen. Mein Traumberuf ist derzeit Kriminalpsychologin, für das Studium brauche ich einen guten Abi-Schnitt. Glücklich bin ich, dass ich nun Madricha bin und im Jugendzentrum eine eigene Gruppe habe, für die ich mir viel vornehme. Seit meinem achten Lebensjahr besuche ich das Jugendzentrum. Madricha zu werden, war einer meiner Träume, und der ist jetzt in Erfüllung gegangen. Ich will jüdisches Wissen weitergeben, und die Kids sollen Spaß haben. Auf jeden Fall werde ich motiviert und gut gelaunt sein.
Dorina Sandberg (50)
Unternehmerin, Frankfurt
Unsere drei Kinder starten gerade mit etwas Neuem, mein ältester Sohn studiert in Israel und beginnt sein Masterstudium, der mittlere ist mit seinem Armeedienst fertig und geht zum Studium nach Barcelona, und unsere Tochter wird ein Auslandsjahr in Israel machen. Da sie nicht in einem Internat, sondern privat wohnen sollte, habe ich beschlossen, dass ich mit ihr nach Tel Aviv gehe und wir zusammen wohnen. Unser Hund ist auch dabei. Mein Mann wird jetzt oft pendeln. Meine Arbeit kann ich zu 90 Prozent vom Computer aus erledigen, ich muss also nicht zwingend in Frankfurt sein. Was derzeit in der Welt passiert, macht Angst, deshalb bin ich nachdenklich. Alles ist so vergänglich. Ich möchte zufrieden und dankbar sein mit dem, was ich habe. Vielleicht auch mal laut Danke sagen. Aber diese Selbstreflexion praktiziere ich das ganze Jahr, nicht nur zu Rosch Haschana. Mit meinen drei Kindern erlebe ich nun viele Veränderungen und hoffe, dass es ihnen gut geht und sie das richtige Handwerkszeug mitbekommen haben.
Tatjana Malafy (62)
Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde Rottweil
Ich wünsche mir Frieden für die Ukraine, für Israel und die ganze Welt. In den vergangenen Monaten haben wir in der Gemeinde viel geleistet, da wir etliche ukrainische Flüchtlinge aufgenommen haben und uns um sie auch weiter kümmern werden. Darauf bin ich stolz. Der Vorstand, die Ehrenamtlichen und ich – wir arbeiten rund um die Uhr. Auch für »unsere« Kinder und unsere 21 Holocaust-Überlebenden möchte ich im neuen Jahr da sein. Am Schabbat schalte ich immer ab und bedanke mich, dass es diesen Tag gibt. Was ich im nächsten Jahr auch machen möchte, ist, koschere Restaurants in Straßburg zu besuchen und die kleinen, koscheren französischen Törtchen zu genießen. Das sind zwar Kleinigkeiten, die mich aber sehr erfreuen. Außerdem schwimme ich gerne, im Sommerurlaub zwei- bis dreimal am Tag. Das möchte ich im nächsten Sommer wieder tun.
Liat Golan (49)
Schulsekretärin, Hamburg
In meinem Leben schlage ich nun ein neues Kapitel auf, denn mein Sohn hat sein Abitur in der Tasche und ist nun mit dem Freiwilligendienst der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) für ein halbes Jahr in Israel, wo er autistische Kinder und Erwachsene betreuen wird. Sein Zimmer bei uns wird auf ihn warten. Jetzt kann ich nicht mehr den Alltag mit ihm teilen. Die 18 Jahre sind schnell vergangen. Ich wollte immer ein Kind, und es war das Beste, was mir passieren konnte. Nun habe ich vor, wieder zu mir zu finden, auf mich zu achten, dass es mir gut geht, und einen eigenen Rhythmus zu leben. Und auch – wenn ich nicht gerade arbeite – etwas in den Tag hinein zu leben und zu entspannen. Als alleinerziehende Mutter musste ich immer funktionieren. Jetzt habe ich Zeit, alles sacken zu lassen. Meine Malsachen möchte ich wieder auspacken und viel Zeit mit meinem Freund verbringen. Aber die Trauer über das zugeschlagene Kapitel ist da. Auf einmal fühle ich mich viel älter.
Jonathan Grünfeld (49)
Lehrer für Religion und Hebräisch, Düsseldorf
Bislang habe ich mir nicht viel aus guten Vorsätzen für ein neues Jahr gemacht. Die beiden Corona-Jahre und der jetzige Ukraine-Krieg mit all seinen Auswirkungen für uns alle haben bei mir nach Angst, Frust und Verunsicherung merkwürdigerweise Hoffnung ausgelöst. Und genau damit will ich ins neue Jahr einsteigen: Mein Vorsatz soll Hoffnung sein. Ich möchte Hoffnung auf Frieden haben, auf ein gutes (auch wenn ich selbst etwas dafür tun muss) und auf ein glückliches neues Jahr.
Aufgezeichnet von Christine Schmitt