Schon lange ist der Bundesligist Borussia Dortmund (BVB) vorne mit dabei, wenn es gegen Antisemitismus geht. Der BVB engagiert sich für Yad Vashem und für eine intensive Auseinandersetzung mit Antisemitismus und jüdischem Leben in Deutschland. Der Kampf gegen Antisemitismus, sagt BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer, »ist eine Herzensangelegenheit nicht nur des Vereins, sondern auch der Fans«. Und so passte es ins Bild der Arbeit des Klubs, als Cramer am Montag die Gäste im Medienzentrum des BVB mit den Worten begrüßte: »Wir sind stolz, dass der Meldebutton bei uns vorgestellt wird.«
SOFTWARE Der Meldebutton ist eine Software, die es Vereinen und Verbänden sowie Fanorganisationen ermöglicht, antisemitische Vorfälle anonym zu melden. »Der Meldebutton für antisemitische Vorfälle im Sport ist ein Meilenstein«, sagt Benjamin Steinitz, Geschäftsführer vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Sportvereine und -verbände können durch die Einbindung auf ihren Webseiten einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Antisemitismus machen.
Die Sportwelt in Deutschland solidarisiert sich weitestgehend mit Israel.
Die RIAS überprüft dann den Fall und bietet ihre Hilfe an. Als Erste werden Borussia Dortmund und der jüdische Sportverband Makkabi sowie dessen rund 40 Ortsvereine den Button in ihre Webseiten einbinden. Weitere Vereine und Sportverbände sollen bald folgen, und dass es so kommt, ist wahrscheinlich.
DUNKELFELD Im Unterschied zur Kulturszene haben weite Teile der Sportwelt kein Problem damit, sich solidarisch mit den Juden in Deutschland und Israel zu zeigen. »Der Meldebutton«, sagt Luis Engelhardt, Projektleiter von Zusammen1, einem Präventionsprojekt von Makkabi Deutschland in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, »soll dazu beitragen, Licht in das Dunkelfeld der antisemitischen Vorfälle zu bringen, denn nach einer Studie aus dem Jahr 2021 wird ein großer Teil davon zwar im privaten Kreis besprochen, aber nirgendwo offiziell bekannt gemacht.«
Eine Meldung, sagt Makkabi-Präsident Alon Meyer, sei dabei nicht gleichbedeutend mit einer Strafanzeige oder Sperre: »Auch ein Gespräch kann eine gute Lösung sein, wenn es gelingt, dem Betreffenden klarzumachen, was er falsch gemacht hat.« Alex Feuerherdt, Leiter Kommunikation und Medienarbeit der DFB Schiri GmbH, ist optimistisch, dass der Meldebutton ein Erfolg wird: »Die Fußballverbände haben bereits Meldestellen gegen Diskriminierung eingerichtet. Der Meldebutton für Antisemitismus im Sport knüpft an diese Angebote an.« Genutzt werden kann er nicht nur von Fans und betroffenen Spielern, sondern auch von Vereinsmitgliedern, Funktionären und allen, die Teil der Fußballfamilie seien. »Natürlich können ihn auch Schiedsrichter nutzen, aber die sollten einen antisemitischen Vorfall immer auch in ihren offiziellen Spielberichten erwähnen.«
POLIZEI Dazu käme, erklärte Benjamin Steinitz, dass Polizei und Staatsanwaltschaft klare antisemitische Vorfälle ignorieren würden: Wenn der FC Carl Zeiss Jena als Juden-Jena beschimpft wird, gilt das bislang entweder als »szenetypische Beschimpfung« oder als »allgemeinpolitische Aussage«. »Unserer Erfahrung nach werden selbst die eindrücklichsten antisemitischen Vorfälle häufig nicht gemeldet. Und wenn doch, steht schnell der Vorwurf medialer Skandalisierung im Raum. Der neue Meldebutton ist enorm wichtig, um die Deutungshoheit von Betroffenen über die eigenen Erfahrungen sicherzustellen, Dritte zu aktivieren und den gesamten Sport zu sensibilisieren.« Antisemitismus nehme als Reaktion auf die Hamas-Massaker in Deutschland zu, sagte Steinitz: »Jüdinnen und Juden brauchen jetzt Solidarität.« Steinitz geht es auch darum, mit den Vereinen bei der Bekämpfung von Antisemitismus zusammenzuarbeiten. »Wir wollen dazu Formate entwickeln, die Spaß machen. Immerhin geht es hier um Sport. Mit 27 Millionen Mitgliedern seien die Sportvereine ein wichtiger Faktor in der Gesellschaft und man könne über sie mit vielen Menschen in Kontakt kommen.
Nach den Pogromen des 7. Oktober, berichtet Alon Meyer, hätten zahlreiche Mitglieder von Makkabi Angst: »Viele Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr zum Training.« Die wenigsten von ihnen seien Juden. Bei Makkabi Frankfurt seien es nur 20 Prozent. »Wir haben auch viele muslimische Sportler und Trainer und die werden zurzeit in ihren Communitys massiv unter Druck gesetzt, weil sie bei einem jüdischen Sportverein mitmachen.«
Für Sabena Donath, die Direktorin der Jüdischen Akademie des Zentralrats, zeigen die aktuellen Entwicklungen auf dramatische Weise, »dass die Unterstützung von Betroffenen antisemitischer Vorfälle eine zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft ist«. Die Einführung des Meldebuttons erleichtere nicht nur die Dokumentation antisemitischer Vorfälle, sondern trage außerdem wesentlich zu einer Sichtbarmachung der Häufigkeit und Intensität solcher Vorkommnisse auf unseren Sportplätzen bei. »Nur so können rote Linien neu verhandelt werden.«